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rendsten Gebiete von Erscheinungen unter einen ebenso einfachen, wie quantitativ genauen Ausdruck bringt, hat sich bisher bei richtiger Anwendung noch immer in Uebereinstimmung mit den thatsächlichen Erfahrungen gezeigt, auch mit solchen, auf die es von seinem Entdecker ursprünglich nicht bezogen war. Ich selbst habe mich bestrebt seine Anwendbarkeit auch für die schnell veränderlichen Ströme der Oeffnungs- und Schliessungsinduction experimentell nachzuweisen, und habe in der vorher genannten theoretischen Arbeit seine Consequenzen für die allgemeinste Form oscillatorischer elektrischer Entladungen in beliebig geformten Leitern von drei Dimensionen verfolgt, welche überall mit dem uns empirisch bekannten allgemeinen Gange der Erscheinungen übereinstimmen, wenn auch quantitative Messungen, die mit der Theorie verglichen werden könnten, bisher nur für lineare Schliessungsdrähte existiren. Für diese stimmen übrigens die Folgerungen des Neumannschen Gesetzes mit den von Hrn. Kirchhoff aus dem Weberschen Gesetze abgeleiteten und mit der Erfahrung theilweise verglichenen überein.

Nun hat Hr. F. E. Neumann, in den von ihm veröffentlichten Abhandlungen wenigstens, den Beweis, dass das Potentialgesetz für die elektrodynamischen Bewegungskräfte unter den bisher eingehaltenen Bedingungen des Experiments, nämlich an geschlossenen Strömen, übereinstimmende Resultate mit dem für diese Fälle thatsächlich richtigen Ampère'schen Gesetze gebe, nur nachgewiesen unter der beschränkteren Voraussetzung, dass die betreffenden beiden Stromleiter ohne Veränderung ihrer Form und Grösse bewegt werden. In der That fehlten zur Zeit seiner Veröffentlichung1) noch die Unter- 93 suchungen über die Ausbreitung der elektrischen Strömungen in Leitern von drei Dimensionen und deren experimentelle Bestätigung; ohne diese konnte das Potential eines beweglichen Leiters auf sich selbst nicht gebildet werden, da dies für einen linearen Leiter unendlich gross wird; und ohne dieses Potential

1) Ueber ein allgemeines Princip der mathematischen Theorie inducirter elektrischer Ströme. Berlin, Reimer 1848. In der Akademie vorgelegt 9. Aug. 1847.

Helmholtz, wissensch. Abhandlungen.

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konnten die Kräfte, welche die Theile eines beweglichen Leiters gegenseitig auf einander ausüben, nicht oder wenigstens nicht ohne nebensächliche Betrachtungen, die damals noch verwickelt und bedenklich erscheinen mochten, behandelt werden. Hr. F. E. Neumann, in seiner vorsichtigen und streng an dem Gegebenen festhaltenden Weise, hat wohl aus diesem Grunde seinen Beweis auf die schon damals ganz klar vorliegenden Fälle beschränkt.

Nachdem in der Zwischenzeit die damals noch fehlenden Untersuchungen, namentlich durch Hrn. Kirchhoff, ausgeführt worden sind, und ihre Ergebnisse als gesichert betrachtet werden können, war eine weitere Anwendung des Potentialgesetzes auf die allgemeinsten Fälle der Bewegung elektrischer Leiter ohne Schwierigkeit auszuführen, wozu allerdings noch in der Formulirung des Gesetzes eine gewisse Beziehung auf diese erweiterten Fälle genommen werden muss, die übrigens aus der ursprünglich von Hrn. Neumann gegebenen Begriffsbestimmung fast mit Nothwendigkeit abzuleiten ist. Da nun dies, so viel ich weiss, noch nirgends explicite geschehen ist, und andererseits wegen des Mangels einer solchen ausführlichen Specialisirung des Gesetzes Zweifel gegen seine Anwendbarkeit aufstiegen, wie solche namentlich von den Herren Ed. Riecke1), Bertrand) und C. Neumann3) (Sohn) ausgesprochen worden sind, so habe ich mich bemüht diese Lücke auszufüllen, und erlaube mir hier die Resultate dieser Arbeit zusammenzufassen.

1) Werth des Potentials P zweier linearer Stromelemente Ds und Do auf einander, deren Stromintensitäten i und 9j sind, deren Entfernung mit r bezeichnet wird. Für diesen Werth habe ich die in meiner oben erwähnten Abhandlung gebrauchte Form beibehalten, welche durch Einführung einer vorläufig unbestimmt bleibenden, jedenfalls positiven Constante k allgemeiner gehalten ist, als die von Hrn. F. E. Neumann

1) Göttinger Nachrichten 14. Aug. 1872.

2) Comptes rendus de l'Acad. des Sciences 14. Octob. 1872.

3) Berichte der Königl. Sächs. Gesellschaft der Wiss. 3. Aug. 1872. Mathematische Annalen Bd. V. 606.

vorzugsweise gebrauchte Form, die dem Werthe k=1 entspricht:

P =

= — § 4311 [(1 + k) cos (Ds, Dø)

-

+ (1 − k) cos (r, Ds) cos (r, Do)] Ds. Do.

(1)

Die Grössen (Ds, Do), (r, Ds) und (r, Do) bezeichnen die Winkel zwischen den Richtungen der eingeklammerten Linien, wobei als positive Richtung für r die von σ nach s laufende gewählt ist, für Ds und Do aber diejenige, in der die positive Elektricität fliesst.

Die Grösse - P bezeichnet die durch das gleichzeitige Bestehen der elektrischen Ströme in Ds und Do gesetzte Energie, welche als Inductionsstrom beim Aufhören einer der Strömungen zur Erscheinung kommt.

Die Grösse + P ist dagegen die potentielle Energie der auf die Leiter wirkenden elektrodynamischen Bewegungskräfte, unter der Voraussetzung, dass bei deren Bewegungen die Stromintensitäten i und j unverändert bleiben.

Da das Potential P auch von den Winkeln abhängig ist, so folgt daraus unmittelbar, dass die mechanische Wirkung des Stromes in Do auf das als festen Stab vorgestellte Stromelement Ds sich im allgemeinen nicht durch eine einzige Kraft, wie bei Ampère, Grassmann, Stefan, sondern nur durch zwei an den Enden von Ds angreifende Kräfte ersetzen lassen wird, deren Intensität unabhängig von der Länge Ds ist. Die Art dieser Kräfte, wie sie auf ein vollkommen nachgiebiges Element wirken, ergiebt sich übrigens aus der folgenden Analyse vollständiger.

Die vier auf die Enden von Ds und Do einwirkenden Kräfte genügen für jeden Werth der Constante k dem Gesetze von der Gleichheit der Action und Reaction 1), was die von Ampère angenommenen Kräfte ebenfalls thun, die von Hrn. ǝs

1) Dies ist wohl nur in Folge eines Versehens von Hrn. C. Neumann in seiner oben citirten Abhandlung geleugnet worden. Dass die Angabe im Texte richtig ist, ergiebt sich einfach aus dem Umstande, dass das Potential dieser Kräfte nur von der relativen Lage von Ds und Do gegen einander abhängig gemacht ist.

Grassmann und Stefan angenommenen aber im allgemeinen nicht.

2) Gesetz der elektrodynamischen Bewegungskräfte. Um dieses auszusprechen für Leiter von drei Dimensionen muss man sich diese erst in leitende Fäden zerlegt denken, welche überall der Richtung der zur Zeit bestehenden Strömungslinien folgen, sodass keine Elektricität von einem dieser Fäden zu seinen Nachbarn übergeht.

Die elektrodynamischen Bewegungskräfte, welche auf jedes Element eines jeden Stromfadens ausgeübt werden, sind alsdann gegeben durch die Regel, dass die mechanische Arbeit, welche die genannten Kräfte bei irgend einer unendlich kleinen Verschiebung der als beliebig biegsam und dehnbar gedachten Stromfäden leisten, gleich ist der bei derselben Verschiebung eintretenden Abnahme des elektrodynamischen Potentials, diese berechnet unter der Voraussetzung, dass die Stromintensität in jedem, von denselben ponderablen Theilchen gebildeten Faden unverändert bleibt.

3) An jeder Stelle des leitenden Systems, wo das Quantum der freien Elektricität durch die zur Zeit bestehenden Ströme nicht geändert wird, laufen die Stromfäden continuirlich fort. Dagegen sind Enden von Stromfäden überall da anzunehmen, wo das Quantum der freien Elektricität sich ändert. Liegen solche Stellen im Innern des Leiters, so kann ein Theil der Elektricität auch weiter strömen; es kann also dort das Ende eines Stromfadens oder eines Theiles eines solchen mit Längenelementen eines anderen Theiles desselben Fadens zusammenfallend gedacht werden. Ist i die Stromintensität in dem Faden, und e die freie Elektricität an seinem Ende, so ist am oberen Ende (nach welchem ein positives i hin gerichtet ist) i de/dt, am unteren Ende ide/dt.

=

Für die Wirkungen eines linearen Stromleiters auf einen eben solchen s lässt sich der Gang der Rechnung kurz angeben, wie folgt. Da bei dehnbaren Leiterelementen die Längen s und selbst sich verändern, so müssen zwei andere Parameter p und eingeführt werden, um die einzelnen materiellen

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Punkte des Leiters zu charakterisiren. Wir nehmen an, der Werth von p bleibe bei der Bewegung für jeden Punkt des Leiters s, und der von für jeden des Leiters σ unverändert, und es sei s eine continuirliche eindeutige Function von p, 6 96 eine ebensolche von Wir setzen den Werth von P aus

zwei Theilen zusammen, nämlich:

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Hierin sind x, y, z die Coordinaten der Punkte des Leiters s; ,, die des Leiters 6.

Um die Kräfte X, Y, Z zu finden, die auf s wirken und von Pabhängig sind, sind x, y, z zu variiren um dr, dy, dz und dann zu setzen:

SS(X•dx + Y·dy + Z·dz) + SP1 = 0.

(2)

Um die X-Kräfte zu finden, genügt es zu variiren. Dies

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Aus dem zweiten Theile dieses Ausdrucks ist durch partielle Integration das dr/dp fortzuschaffen. Wenn man dies thut und dabei berücksichtigt, dass nach Gleichung (2) die mit dæ multiplicirten Factoren die negativen Werthe der an der betreffenden Stelle angreifenden X-Kräfte sind, so erhält man: 1) für das Innere von s:

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+

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(2a)

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