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peratur der Zunge unter Umständen misst, wo der Körper vor einer unangenehmen Einwirkung der Temperaturextreme geschützt ist. Die grösste Differenz der Mittel aus den Beobachtungen der einzelnen Monate beträgt 0°,18 C. auf einen Unterschied der mittleren Zimmertemperatur von 8,4 C. Dagegen erniedrigt sich die Zungenwärme auffallend (bis 35o C.), sobald durch äussere Kälte das Gefühl von Frieren und von Schläfrigkeit erregt wird. Körperliche und geistige Anstrengung erhöhen dieselbe um etwa 0o,4 C. Hrn. Davy's Arbeit ist in so fern wichtig, als er zuerst die Methode der Beobachtungsreihen in grösserem Massstabe angewendet hat, um bei Bestimmung der Veränderungen, welche die menschliche Temperatur unter verschiedenen Bedingungen erleidet, die störenden Variationen anderer Art zu eliminiren, und so zu sichereren Resultaten zu kommen, als es bisher durch vereinzelte Beobachtungen möglich war.

Die zweite Arbeit von Hrn. Liebig) bezieht sich auf die Frage nach dem Ursprung der thierischen Wärme, und bietet mehr von physikalischem Interesse dar, insofern es sich darum handelt zu entscheiden, ob die thierische Wärme aus den bekannten Erwärmungsquellen der unorganischen Natur herrühre, 348 oder ob sie in dem lebenden Körper auf eine besondere und abweichende Art erzeugt werde. Der gegenwärtige Stand dieser Frage ist folgender: Man ist ursprünglich, ausgehend von der materiellen Ansicht der Wärmeerscheinungen, für die Erklärung der organischen Wärme genöthigt gewesen zu der Annahme, dieselbe rühre von dem mit den Ingestis, den Nahrungsmitteln und dem eingeathmeten Sauerstoffe, frei und latent eingebrachten Wärmestoffe her, weil man nicht annehmen konnte, dass dieser Stoff im Organismus erzeugt werde; man hat deshalb von Lavoisier an dieselbe aus der Verbrennung des Kohlenstoffs und Wasserstoffs des Bluts in den Lungen erklären wollen. Dagegen zeigte BRODIE experimentell, dass bei geköpften oder durch Gifte und Kopfverletzungen betäubten Thieren, bei welchen man durch Lufteinblasen noch längere Zeit die Blut

1) J. Liebig, Ueber die thierische Wärme. Ann. d. Ch. u. Ph. L., Quesnev. rev. sc. XX. 392.

bewegung, die chemischen Veränderungen der Ausathmungsluft, die Reizbarkeit der Muskeln erhalten kann, die Wärme schnell verloren gehe. Er schloss daraus, dass nicht die Respiration, sondern die Nerventhätigkeit unter Leitung des Gehirns die Wärme erzeuge. Das angegebene Resultat ist von allen bestätigt worden, welche diese Versuche wiederholt haben; nur in Betreff der Geschwindigkeit der Abkühlung sind die Stimmen nicht einig. Brodie hatte nämlich gefunden, dass die Thiere bei künstlicher Respiration schneller abgekühlt werden als ohne dieselbe und schloss daraus, dass die Respiration ein Abkühlungsmittel sei; Chaussat fand keinen Unterschied, Hales und Legallois dagegen eine Verzögerung des Erkaltens durch die künstliche Respiration; endlich zeigten Wilson Philip und William, dass die Abkühlung bei langsamem Einblasen langsamer sei, bei geschwindem schneller als ohne dasselbe, und dass durch starkes Lufteinblasen die Temperatur auch eines unverletzten Thieres vermindert werden könne. Jedenfalls folgt aus diesen Versuchen so viel mit Sicherheit, dass die Respiration unmittelbar, d. h. durch die sogleich im Blute eintretenden Verbindungen des Sauerstoffs und die Ausscheidung der Kohlensäure, nicht die einzige Quelle der thierischen Wärme sei; ein Theil der Physiologen aber liess sich dadurch verleiten, weiter zu schliessen, dass die Wärme ganz oder theilweise nicht von aussen her, d. h. aus den Ingestis, ihren Ursprung nehme, son- 349 dern von der unbekannten, alles regelnden Thätigkeit der Nerven erzeugt werde. Hierzu kamen nun noch die Versuche von Dulong) und Despretz 2), welche die von verschiedenen warmblütigen Thieren während einer gewissen Zeit abgegebene Wärme mit dem Wassercalorimeter quantitativ bestimmten. Die Thiere befanden sich dabei in einem kupfernen, mit Weidengeflechten ausgelegten Kasten, durch welchen Luft aus einem Gasometer in gleichmässigem Strome hindurchgeleitet und in einem zweiten Apparat so aufgefangen wurde, dass ihre Menge und Zusammensetzung genau bestimmt werden konnten. Es wurde dann berechnet, wieviel Kohlenstoff und Wasserstoff während der Dauer

1) Ann. de chim. et de ph. I.

2) Ebend. XXVI.

des Versuchs sich mit dem verzehrten Sauerstoff verbunden habe, und wieviel Wärme dabei erzeugt worden sei. Sie fanden beide in einer grossen Reihe von Versuchen, dass die berechnete Verbrennungswärme nur 0,75-0,90 von der in den Thieren erzeugten betrug.

Liebig hat in seiner Thierchemie die Herleitung der ganzen thierischen Wärme aus dem Verbrennungsprocess der Blutbestandtheile mit dem eingeathmeten Sauerstoff entschieden vertheidigt. Er widerlegt die Schlüsse, die man aus den Versuchen von Brodie an geköpften und betäubten Thieren gezogen hat, und stellt die theoretische Forderung auf, dass der Ursprung der Wärme, als eines Princips, welches einem gewissen Kraftäquivalent entspreche, nicht aus nichts, sondern nur aus andern Kräften hergeleitet werden dürfe. Daraus aber schliesst er weiter, dass die Wärme nur von der Verbrennung des Kohlenstoffs und Wasserstoffs mit Sauerstoff herrühre, und sucht die Quantität derselben hiernach für den menschlichen Körper zu berechnen.

Wir befinden uns hier mit der Frage über die thierische Wärme auf einem eigenen Felde. Das Princip von der Constanz des Kraftäquivalents bei Erregung einer Naturkraft durch eine andere, obschon logisch vollkommen gerechtfertigt, und 350 auch schon benutzt als Grundlage mathematischer Theorien (z. B. von Carnot und Clapeyron zur Bestimmung der Arbeit, welche eine gewisse Wärmequantität leisten kann, von Neumann in der Theorie der Inductionsströme durch Bewegung von Magneten oder Strömen) ist weder theoretisch bisher vollständig ausgesprochen und anerkannt, noch empirisch durchgeführt, wenn ihm auch die bisher gemachten Versuche vollständig entsprechen. So lange ein Wärmestoff als Ursache der Erscheinungen festgehalten wurde, war es undenkbar, dass dieser Stoff im Körper erschaffen würde.

Nun ist aber gegenwärtig die materielle Theorie der Wärme nicht mehr zu halten, sondern dafür eine Bewegungstheorie zu substituiren, weil wir Wärme aus mechanischen Kräften ihren Ursprung nehmen sehen, sowohl unmittelbar, z. B. bei der Reibung, sowohl fester gegen feste Körper wie flüssiger gegen feste, als auch mittelbar durch elektrische Ströme bei der Be

wegung von Magneten und durch die Reibungselektricität, wo an ein Freiwerden latenten Wärmestoffs nicht zu denken ist. Fassen wir die Wärme als Bewegung, so ist zuvörderst vorauszusetzen, dass mechanische, elektrische und chemische Kräfte nur immer ein bestimmtes Aequivalent derselben erzeugen können, wie complicirt auch die Art des Ueberganges der einen Kraft in die andere sein mag. Was darüber empirisch bekannt ist, reicht nicht weit. Für die mechanischen Kräfte bestehen noch keine Versuche, die in Betracht kommen könnten; die Arbeiten von Carnot, Clapeyron und Holtzmann beziehen sich nicht auf die Erzeugung, sondern nur auf die Ausbreitung der Wärme. In Bezug auf die chemischen Kräfte sind die Wärmeäquivalente (die latente Wärme) einer Reihe von chemischen Processen bestimmt worden, und das Gesetz von der Constanz der Wärmeerzeugung, in welchen Zwischenstufen auch die Verbindung erfolge, hat sich in den untersuchten Fällen bewährt. Für die constanten hydroelektrischen Ströme folgt aus den Gesetzen von Ohm und Lenz, wenn wir das letztere auch, wie es von Becquerel1) empirisch geschehen ist, auf die Flüssigkeiten ausdehnen, dass die entwickelte Wärme bei jeder Ein- 351 richtung der Kette der Grösse der elektro-chemischen Umsetzung proportional sei. Es ist nach Lenz in einem bestimmten Theile der Kette, dessen Widerstand w, bei der Intensität des Stromes J für die Zeit t die entwickelte Wärme 9J2wt, also die Wärmemenge in der ganzen Kette = J2 Wt, wenn W den Widerstand der ganzen Kette bezeichnet. Nun ist aber J=nAW, wo A die elektrische Differenz der wirkenden Metalle und n die Zahl der Zellen bezeichnet, also = nJ At. Die Menge der Atome C, welche in der Zeit t von dem einen Metall oxydirt, von dem andern reducirt sind, ist nach FARADAY'S elektrolytischem Gesetze in einer Zelle Jt, in n Zellen = nJt, also AC, also gleich der Quantität der verbrauchten Metalle, multiplicirt mit ihrem elektrischen (chemischen?) Gegensatz, gänzlich unabhängig von der Form, Länge etc. der Kette. Für die statische Elektricität folgt, wenn wir die Gesetze von Riess als allgemein gültig voraussetzen dürfen, O= QD, wo Q

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1) Comptes rendus, T. XVI. 1843.

=

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die Quantität und D die Dichtigkeit der angehäuften Elektricität ist.')

Bezeichnen wir nach wie vor mit latenter Wärme der chemischen Verbindungen das Wärmeäquivalent, was sie bei weiteren Verbindungen erzeugen können, so folgt aus den hingestellten theoretischen Forderungen für die organischen Körper, dass bei constanter Grösse und Zusammensetzung derselben die als frei abgegebene Wärme und die latente der Egesta zusammen gleich sein müssen der latenten der Ingesta, gleichviel in welchen Zwischenstufen auch die Umwandlung der letzteren in erstere vor sich gegangen sein mag. Die Egesta sind nun Kohlensäure, Wasser, kohlensaures Ammoniak, Harnstoff, Reste der Nahrungsmittel und eine verhältnissmässig geringe Menge quaternärer Verbindungen, wie Gallenreste, Schleim, Extraktivstoffe, Harnsäure etc. Lassen wir die letzteren aus dem Spiel, weil bei ihrer Bildung eben nicht viel Wärme frei geworden sein kann, und rechnen wir dafür den Harnstoff mit der entsprechenden Menge von Wasseratomen gleich als kohlensaures 352 Ammoniak an, bei welcher Umsetzung keine bemerkbare Quantität Wärme entsteht: so muss die im Körper erzeugte Menge derselben ungefähr gleich sein derjenigen, welche der entsprechende Theil der Nahrungsmittel, verbrannt mit Sauerstoff zu Kohlensäure, Wasser und Ammoniak geben würde. Es handelt sich also nicht um die Verbrennungswärme von Kohlenstoff und Wasserstoff, sondern um die der Nahrungsmittel. Da nun über die letzteren noch gar keine empirischen Bestimmungen gemacht sind, so ist eine Berechnung von Versuchen, wie sie von Dulong und Despretz angestellt sind, noch gar nicht möglich. Die Ansicht von Lavoisier, wonach in den Lungen ein Kohlenwasserstoff ausgeschieden werden sollte, würde die Berechnungsart, wie sie Dulong, Despretz und Liebig angewendet haben, rechtfertigen, aber sie ist längst als falsch erwiesen worden. Herr Liebig hilft sich durch die Annahme, dass der Kohlenstoff und Wasserstoff der organischen Verbindungen eben so viel Wärme erzeugen müssen, als wenn sie frei verbrennen. Das können wir ihm ungefähr zugeben,

1) Pogg. Ann. XLXIII. 320, und LXIII. 505.

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