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denen Massenelementen ausgehen, kann ich nur noch als ein durch Erfahrung gefundenes Naturgesetz anerkennen. Es sagt eine Thatsache aus: Die Beschleunigung, welche ein Massenpunkt erfährt, wenn mehrere Ursachen zusammenwirken, ist die Resultante (geometrische Summe) derjenigen Beschleunigungen, welche die einzelnen Ursachen einzeln herbeigeführt haben würden. Nun kommt freilich der Fall empirisch vor, dass zwei Körper, z. B. zwei Magnete, die gleichzeitig auf einen dritten wirken, eine Kraft ausüben, die nicht einfach die Resultante der Kräfte ist, die jeder allein genommen ausüben würde. Wir kommen in diesem Falle mit der Annahme aus, dass jeder einzelne Magnet in dem anderen die Anordnung einer unsichtbaren imponderablen Substanz verändert. Aber ich kann das Princip der Begreiflichkeit nicht mehr als zureichend für die Folgerung anerkennen, dass die durch das Zusammenwirken zweier oder mehrerer Bewegungsursachen entstehende Wirkung nothwendig durch (geometrische) Summirung aus denen der einzelnen gefunden werden müsse.

Sowohl dieser thatsächliche Inhalt von Newton's zweitem Axiom, wie das weiter unten ausgesprochene Princip, dass die Kräfte, welche zwei Massen aufeinander ausüben, nothwendig bestimmt sein müssen, wenn die Lage der Massen vollständig gegeben ist, sind verlassen worden in denjenigen electrodynamischen Theorien, welche die Kraft zwischen electrischen Quantis von deren Geschwindigkeit und Beschleunigung abhängig machen. Die in dieser Richtung gemachten Versuche haben bisher noch immer in Widersprüche gegen die innerhalb des Bereichs unserer bisherigen Erfahrung ausnahmslos bewährten mechanischen Principien von der Gleichheit der Action und Reaction und von der Constanz der Energie geführt, worüber später in den electrodynamischen Abhandlungen dieses Bandes mehr die Rede sein wird. Wenn für Electricität in Leitern nur labiles Gleichgewicht existirte, so wäre damit auch die Eindeutigkeit und Bestimmtheit der Lösungen electrischer Probleme verloren gegangen, und wenn eine Kraft abhängig gemacht wird von der absoluten Bewegung, d. h. von einer veränderten Beziehung einer Masse zu etwas, was nie Gegenstand einer möglichen Wahrnehmung werden kann, nämlich zum unterschiedslosen leeren Raum, so erscheint

mir dies als eine Annahme, die die Aussicht auf vollständige Lösung der naturwissenschaftlichen Aufgaben aufgiebt, was meiner Meinung nach erst geschehen dürfte, wenn alle anderen theoretischen Möglichkeiten erschöpft wären.

3) Zu Seite 20. Dieser viel gebrauchte Beweis ist ungenügend für den Fall, dass die Kräfte von den Geschwindigkeiten oder Beschleunigungen abhängen sollten, worauf mich Hr. Lipschitz aufmerksam machte. Denn man kann auch

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worin U eine Function der Coordinaten, P, Q, R dagegen beliebige Functionen der Coordinaten und ihrer Differentialquotienten seien, so ist:

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also die lebendige Kraft eine Function der Coordinaten. Die mit den Factoren P, Q, R versehenen Zusätze zu den Werthen der Kraftcomponenten repräsentiren eine resultirende Kraft, welche senkrecht zu der resultirenden Geschwindigkeit des bewegten Punktes ist. Eine solche Kraft würde ersichtlich die Krümmung der Bahn verändern aber nicht die lebendige Kraft.

Wenn man die Giltigkeit des Gesetzes von der Action und Reaction festhält und die Auflösbarkeit in Punktkräfte, so bleibt der im Text aufgestellte allgemeine Satz aber richtig. Denn das genannte Gesetz lässt für ein Punktpaar nur Kräfte zu, welche in Richtung der Verbindungslinie gleiche Intensität und entgegengesetzte Richtung haben. Die zu den Geschwindigkeiten senkrechten Kräfte würden daher nur in den Momenten eintreten können, wo beide Geschwindigkeiten senkrecht zur Verbindungslinie wären.

Der Schlusssatz des Abschnittes muss also den in der Anmerkung gemachten Zusatz erhalten.

4) Zu Seite 27. Auch dieser Satz ist zu weit gefasst, da wir die vorausgehenden allgemeinen Sätze auf die Fälle beschränken müssen, wo Gleichheit der Action und Reaction allgemein gilt. Wenn wir die letztere fallen lassen, so zeigt das neuerdings von Hrn. Clausius aufgestellte electrodynamische Grundgesetz einen Fall, wo Kräfte, die von den Geschwindigkeiten und Beschleunigungen abhängen, doch nicht ins Unendliche Triebkraft erzeugen können.

5) Zu Seite 41. Zur Geschichte der Entdeckung des Gesetzes von der Erhaltung der Kraft wäre hier noch nachzutragen, dass R. Mayer 1842 seinen Aufsatz „Ueber die Kräfte der unbelebten Natur" 1), veröffentlicht hatte, und 1845 die Abhandlung über „Die organische Bewegung in ihrem Zusammenhange mit dem Stoffwechsel". Heilbronn. Schon in dem ersten Aufsatze ist die Ueberzeugung von der Aequivalenz der Wärme und Arbeit ausgesprochen und das Aequivalent der Wärme auf demselben Wege, der im Texte als der von Holtzmann angegeben ist, auf 365 m. kg berechnet. Der zweite Aufsatz ist seinem allgemeinen Ziele nach im wesentlichen zusammenfallend mit dem meinigen. Ich habe beide Aufsätze erst später kennen gelernt, und seitdem ich sie kannte, nie unterlassen, wo ich öffentlich von der Aufstellung des hier besprochenen Gesetzes zu reden hatte 2), R. Mayer in erster Linie zu nennen, auch habe ich seine Ansprüche, so weit ich sie vertreten konnte, gegen die Freunde Joule's, welche dieselben gänzlich zu leugnen geneigt waren, in Schutz genommen. Ein von mir in diesem Sinne an Hrn. P. G. Tait geschriebener Brief ist von diesem in der Vorrede zu seinem Buche:,,Sketch of Thermodynamics" (Edinburgh, 1868) abgedruckt. Ich lasse ihn hier folgen:

,,Ich muss sagen, dass mir die Entdeckungen von Kirchhoff auf diesem Felde (Radiation and Absorption) als einer

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1) Annalen der Chemie und Pharmacie von Wöhler und Liebig. Bd. XLII p. 233. Beide Aufsätze wieder abgedruckt in „Die Mechanik der Wärme" in gesammelten Schriften von J. R. Mayer. Stuttgart. Cotta 1867.

2) S. meine „Populären wissenschaftlichen Vorträge. Heft II S. 112 aus dem Jahre 1854. Ebenda S. 141 (1862). Ebenda S. 194 (1869).

der lehrreichsten Fälle in der Geschichte der Wissenschaft erscheinen, eben auch deshalb weil viele andere Forscher vorher schon dicht am Rande derselben Entdeckung gewesen waren. Kirchhoff's Vorgänger verhalten sich zu ihm in diesem Felde ungefähr so, wie in Bezug auf die Erhaltung der Kraft Rob. Mayer, Colding und Séguin zu Joule und W. Thomson."

,,Was nun Robert Mayer betrifft, so kann ich allerdings den Standpunkt begreifen, den Sie ihm gegenüber eingenommen haben, kann aber doch diese Gelegenheit nicht hingehen lassen, ohne auszusprechen, dass ich nicht ganz derselben Meinung bin. Der Fortschritt der Naturwissenschaften hängt davon ab, dass aus den vorhandenen Thatsachen immer neue Inductionen gebildet werden, und dass dann die Folgerungen dieser Inductionen, so weit sie sich auf neue Thatsachen beziehen, mit der Wirklichkeit durch das Experiment verglichen werden. Ueber die Nothwendigkeit dieses zweiten Geschäftes kann kein Zweifel sein. Es wird auch oft dieser zweite Theil einen grossen Aufwand von Arbeit und Scharfsinn kosten und dem, der ihn gut durchführt, zum höchsten Verdienste gerechnet werden. Aber der Ruhm der Erfindung haftet doch an dem, der die neue Idee gefunden hat; die experimentelle Prüfung ist nachher eine viel mechanischere Art der Leistung. Auch kann man nicht unbedingt verlangen, dass der Erfinder der Idee verpflichtet sei auch den zweiten Theil der Arbeit auszuführen. Damit würden wir den grössten Theil der Arbeiten aller mathematischen Physiker verwerfen. Auch W. Thomson hat eine Reihe theoretischer Arbeiten über Carnot's Gesetz und dessen Consequenzen gemacht, ehe er ein einziges Experiment darüber anstellte, und Keinem von uns wird einfallen, deshalb jene Arbeiten gering schätzen zu wollen."

„Robert Mayer war nicht in der Lage Versuche anstellen zu können; er wurde von den ihm bekannten Physikern zurückgewiesen (noch mehrere Jahre später ging es mir ebenso); er konnte nur schwer Raum für die Veröffentlichung seiner ersten zusammengedrängten Darstellung gewinnen. Sie werden wissen, dass er in Folge dieser Zurückweisung zuletzt geisteskrank wurde. Es ist jetzt schwer sich in den Gedankenkreis jener Zeit zurückzuversetzen und sich klar zu machen, wie absolut

neu damals die Sache erschien. Mir scheint, dass auch Joule lange um Anerkennung seiner Entdeckung kämpfen musste."

„Obgleich also Niemand leugnen wird, dass Joule viel mehr gethan hat als Mayer, und dass in den ersten Abhandlungen des Letzteren viele Einzelheiten unklar sind, so glaube ich doch, man muss Mayer als einen Mann betrachten, der unabhängig und selbständig diesen Gedanken gefunden hat, der den grössten neueren Fortschritt der Naturwissenschaft bedingte: und sein Verdienst wird dadurch nicht geringer, dass gleichzeitig ein Anderer in einem anderen Lande und anderem Wirkungskreise dieselbe Entdeckung gemacht, und sie freilich nachher besser durchgeführt hat als er."

In neuester Zeit haben die Anhänger metaphysischer Speculation versucht das Gesetz von der Erhaltung der Kraft zu einem a priori gültigen zu stempeln, und feiern deshalb R. Mayer als einen Heros im Felde des reinen Gedankens. Was sie als den Gipfel von Mayer's Leistungen ansehen, nämlich die metaphysisch formulirten Scheinbeweise für die a priorische Nothwendigkeit dieses Gesetzes, wird jedem an strenge wissenschaftliche Methodik gewöhnten Naturforscher gerade als die schwächste Seite seiner Auseinandersetzungen erscheinen und ist unverkennbar der Grund gewesen, warum Mayer's Arbeiten in naturwissenschaftlichen Kreisen so lange unbekannt geblieben sind. Erst als von anderer Seite her, namentlich durch Hrn. Joule's meisterhafte Arbeiten, die Ueberzeugung von der Richtigkeit des Gesetzes sich Bahn gebrochen hatte, ist man auf Mayer's Schriften aufmerksam geworden.

Uebrigens ist dieses Gesetz, wie alle Kenntniss von Vorgängen der wirklichen Welt, auf inductivem Wege gefunden worden. Dass man kein Perpetuum mobile bauen, d. h. Triebkraft ohne Ende nicht ohne entsprechenden Verbrauch gewinnen könne, war eine durch viele vergebliche Versuche, es zu leisten, allmählig gewonnene Induction.

Schon längst hatte die französische Akademie das Perpetuum mobile in dieselbe Kategorie wie die Quadratur des Zirkels gestellt, und beschlossen keine angeblichen Lösungen dieses Problems mehr anzunehmen. Das muss doch als der Ausdruck einer unter den Sachverständigen weit verbreiteten

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