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er drehbar ist, zur leitenden Peripherie führt, und dabei unter dem Einflusse anderer concentrischer Kreisströme steht, so wirkt, wie Hr. Riecke richtig bemerkt, nach dem Potentialgesetz unmittelbar gar keine Kraft auf den festen Theil des Radius, dessen relative Lage gegen die Kreisströme sich nicht verändert, und es kommt allein das Kräftepaar zur Erscheinung, welches auf die Uebergangsschicht an der Gleitstelle wirkt. Dieses aber bedingt in der That den ganzen Erfolg.

Was die von Hrn. Bertrand angeregte Frage nach den Kräften betrifft, welche den Zusammenhang des Leiters zu trennen suchen, so zeigt die hier angestellte ausführliche Analyse, die den allgemeinsten Fall beliebig dehnbarer und verschiebbarer Elemente in Rechnung zieht, dass auf alle inneren Elemente der Stromfäden, soweit die elektrische Stromintensität constant ist, nur und ausschliesslich die Kräfte des Grassmann'schen Gesetzes wirken. Wenn aber Zerreissung des leitenden Zusammenhanges einträte, so würden allerdings an den Endflächen die in (2b) ermittelten Kräfte wirksam werden und auf beide Endflächen in entgegengesetztem Sinne wirken. Diese könnten den Stromleiter s zu zerreissen streben, wenn der Strom in o hinreichend stark, nahe und parallel, aber von entgegengesetzter Richtung mit dem in s wäre. Die darauf hinwirkenden Kräfte würden aber immer eine endliche Intensität haben, und ausserdem würde nach erfolgter Trennung sogleich die relativ sehr mächtige elektrostatische Kraft der durch den Extracurrent an den Trennungsflächen angehäuften Elektricitäten auf die Wiedervereinigung hinwirken.

Hrn. Bertrand's zunächst für einen elastischen Stromfaden angestellte Betrachtung aber, durch deren Resultat er das ganze Potentialgesetz zu vernichten glaubt, da nach ihm diese Kräfte jeden durchströmten Leiter zertrümmern müssten, beruht auf einem Irrthum. Er hat die relative Deformation, das heisst das Verhältniss zwischen den Verschiebungen und den linearen Dimensionen des betreffenden Volumenelementes, mit der absoluten Deformation, das heisst mit dem absoluten Betrage jener Verschiebungen verwechselt. Unter Einwirkung eines endlichen Kräftepaares ist die relative 103 Deformation einer unendlich dünnen Lamelle allerdings end

lich, wie Hr. Bertrand angiebt. Damit aber die bei der Deformation geleistete Arbeit des Kräftepaares endlich wäre, müsste die absolute Deformation der betreffenden Lamelle endlich sein, was nicht der Fall ist. Diese ist vielmehr von derselben Grössenordnung, wie die Dicke der Lamelle, und daher die bei der Deformation an der Lamelle geleistete Arbeit ebenfalls von der Ordnung ihrer Dicke, und die am ganzen Körper geleistete Arbeit ist endlich.

5) Was die Möglichkeit betrifft, zwischen dem Ampèreschen Gesetz der Elektrodynamik und dem Potentialgesetze zu entscheiden, so ist das nur möglich an Strömen mit freien Enden, an denen sich freie Elektricität anhäuft und wieder verschwindet. In dieser Beziehung bietet sich folgender Weg dar, der nicht als unausführbar erscheint, wenn er auch nicht ohne die Hülfe sehr grosser Drahtmassen wird gelingen können.

Ein geschlossener Ringmagnet oder ein entsprechendes in sich zurücklaufendes Solenoïd von Kreisströmen wirkt bekanntlich nach dem Ampère'schen Gesetze gar nicht nach aussen. Nach dem Potentialgesetze wirkt es auf geschlossene Ströme nicht ein, wohl aber auf die Enden ungeschlossener Ströme. Hängt man eine ebene kreisförmige Franklin'sche Tafel so auf, dass sie um ihren verticalen Durchmesser, der mit dem verticalen Durchmesser des Ringes zusammenfällt, sich drehen kann, und verbindet ihre Platten mit den Enden der Drahtleitung des Ringes, so wird die Entladung der Franklin'schen Tafel durch den Ring, die in diesem Falle oscillatorisch sein würde, nach dem Potentialgesetze die Tafel der Ebene des Ringes parallel zu stellen streben, dagegen nach dem Ampèreschen Gesetze ohne Einfluss sein.

Andererseits, wenn eine kreisförmige Franklin'sche Tafel horizontal aufgehängt wird, drehbar um eine durch ihren Mittelpunkt gehende Verticale, und unter ihr ein cylindrischer Elektromagnet mit verticaler Axe steht, durch dessen Drahtwindungen sich die Franklin'sche Tafel entladet, so muss sie nach dem Ampère'schen Gesetze um ihre Verticalaxe gedreht werden, nach dem Potentialgesetze dagegen nicht.

Ich werde versuchen, diese beiden Experimente anzustellen, doch sind noch Voruntersuchungen über Beseitigung der Funken, Anwendbarkeit von Eisenkernen u. s. w. nöthig, ehe ich die Construction des Apparates mit einiger Sicherheit auf Erfolg 104 beginnen kann. Da dies vielleicht noch längere Zeit in Anspruch nehmen möchte, habe ich mich entschlossen, die Veröffentlichung der Resultate vorstehender theoretischer Untersuchungen nicht länger zu verzögern.1)

1) Die Ausführung der hier vorgeschlagenen Versuche scheiterte an dem Umstande, dass die dabei auftretenden elektrostatischen Kräfte zu mächtig waren und bei den minimalsten Graden von Assymmetrie in der Stellung der Apparate viel grössere Ablenkungen hervorbrachten als von den elektromagnetischen Kräften je zu hoffen waren. (1881).

XXXVII.

Ueber die Theorie der Elektrodynamik.

Dritte Abhandlung.

Die elektrodynamischen Kräfte in bewegten Leitern.

Aus: Borchardt's Journal für die reine und angewandte Mathematik. Bd. LXXVIII. S. 273-324. (1874).

273 Meine Abhandlung im 72. Bande dieses Journals behandelt die elektrodynamischen Wirkungen nur in ruhenden leitenden Körpern; in solchen beschränken sich die genannten Wirkungen auf die Induction elektromotorischer Kräfte. Dieser Fall erschien als der verhältnissmässig einfachste für die theoretische Behandlung, weil die bestehende elektrische Bewegung irgend einen Arbeitswerth, das heisst ein Potential, nothwendig haben muss, und der Werth desselben für geschlossene Stromleiter als wohlbekannt angesehen werden durfte. Der Zweck jener Arbeit war ein wesentlich praktischer; es handelte sich darum zu untersuchen, welche verschiedenen Formen der Werth der elektrodynamischen Energie für ungeschlossene Ströme etwa noch haben konnte, wenn man ihn für geschlossene Ströme durch die von F. E. Neumann dem Vater (beziehlich durch Gauss) gegebenen Ausdrücke als bekannt ansieht; ferner bei welcher Art von Versuchen sich möglicher Weise Unterschiede zeigen könnten, welche von den noch unbestimmten

1) Gauss' Werke, Bd. V, S. 610 u. 613. Die nachgelassenen Papiere aus dem Jahre 1835 enthalten den Werth des elektrodynamischen Potentials.

Theilen des Ausdruckes herrührten. Hielt man an der Wahrscheinlichkeit fest, dass gewisse allgemeinste Eigenschaften der bekannten Theile der gesuchten Ausdrücke auch den noch unbekannten zukommen würden, so liess sich das, was zweifelhaft blieb, auf den unbekannt bleibenden Werth einer Constanten k zurückführen, welche in der Lehre von der Elektrodynamik etwa dieselbe Rolle spielt, wie in der Lehre von der Elasticität diejenige Constante, welche das Verhältniss zwischen dem Widerstande gegen Compression und dem gegen Schiebung der Schichten angiebt. Ueber diese Constante ergab die Untersuchung nur soviel, dass sie nicht negativ sein dürfe (ebenso wenig wie die genannte Constante der Elasticität), weil sonst das Gleichgewicht der ruhenden Elektricität in einem ruhenden Leiter labil würde, und sich dann die Möglichkeit elektrischer Bewegungen ergeben hätte, deren Arbeitswerth geringer ge- 274 wesen wäre als der des Ruhezustandes.

Ich habe in jener Arbeit die von Hrn. F. E. Neumann in die Wissenschaft einmal eingeführten Bezeichnungen beibehalten. Die Grösse, die in demselben Sinne wie die lebendige Kraft ponderabler bewegter Massen das der elektrischen Bewegung entsprechende Quantum von Energie angiebt, und die man deshalb mit Cl. Maxwell auch passend die actuelle Energie der elektrischen Bewegung nennen kann, ist gleich dem negativen Werthe des von Neumann senior definirten elektrodynamischen Potentials, und nur in diesem Sinne ist letzterer Ausdruck an den meisten Stellen jener Arbeit beibehalten worden.

Der genannte Begriff wird also daselbst ohne jede Beziehung auf die bei Bewegungen von Leitern eintretenden elektrodynamischen Erscheinungen gebraucht, und seine Anwendung bleibt unberührt durch die Einwände, welche seitdem von mehreren Physikern und Mathematikern gegen eine erweiterte Anwendung desselben auf die von Leitern elektrischer Ströme gegen einander ausgeübten Bewegungskräfte (ponderomotorischer Kräfte nach Hrn. C. Neumann juniors zweckmässiger Nomenclatur) erhoben worden sind. Letzteres entspricht einer anderen Bedeutung des elektrodynamischen Potentials, die mit der erst erwähnten nicht nothwendig verbunden

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