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weis neuerdings1) ausgedehnt auf beliebig geformte und nach drei Dimensionen ausgedehnte Leiter, deren einzelne Theile beliebige Arten von Dehnsamkeit, Biegsamkeit, elastischer oder flüssiger Nachgiebigkeit besitzen. Vorausgesetzt, dass wir es nur mit geschlossenen Strömen zu thun haben, ergeben beide, Ampère's Gesetz und das Potentialgesetz, genau dieselben Werthe der resultirenden Kräfte, welche jeden einzelnen Punkt des bewegten Leiters angreifen, wenn auch die Ansichten über die Componenten, aus denen diese Resultanten sich zusammensetzen, weit auseinander gehen.

Die Abweichung beider Theorien voneinander beginnt erst, wenn man es mit ungeschlossenen Strömen zu thun hat, und der Zweck meiner theoretischen Arbeiten war es eben, diejenigen Fälle herauszufinden, wo ein Unterschied beider Gesetze sich bei ausführbaren Versuchen zu erkennen geben würde. Uebrigens haben wir es bei den Versuchen meiner beiden Gegner durchaus nur mit geschlossenen Strömen zu thun, und es müssen also, wenn ich nicht einen Rechenfehler in meinen 547 theoretischen Untersuchungen begangen habe, die Ergebnisse dieser Versuche entweder mit beiden Gesetzen übereinstimmen oder mit beiden in Widerstreit sein. In Wirklichkeit tritt der erste Fall ein; sie stimmen mit beiden überein, wie ich zeigen werde.

Das elektrodynamische Potential p zweier linearen Stromelemente ds und do, welche von den Stromstärken i und j durchflossen werden, deren Richtungen miteinander den Winkel bilden, und deren Entfernung gleich r ist, hat nach der Neumann'schen Formulirung bei Festsetzung passender Einheiten der Stromstärke den Werth:

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Die mechanische Bedeutung dieses Ausdruckes besteht darin, dass er die Grösse des Arbeitsvorrathes angiebt, den die ponderomotorischen Kräfte der beiden Elemente bei unveränderten Stromstärken i und j zu leisten im Stande sind,

1) Ueber die Theorie der Elektrodynamik. Borchardt's Journal für Mathematik. Bd. 78, S. 273.

wenn man beide entweder in unendliche Entfernung voneinander oder überhaupt in eine Lage überführt, wo p = 0 ist. Letzteres geschieht zum Beispiel auch, wenn man sie rechtwinkelig gegen einander richtet. Die Kräfte, welche die genannten beiden Elemente aufeinander ausüben, ergeben sich aus der Bedingung, dass diese Kräfte, ohne selbst von der Art der Bewegung der Elemente abhängig zu sein, bei jeder virtuellen Verschiebung der Elemente eine Arbeit leisten müssen, deren Betrag gleich - dp ist.

Betrachten wir, wie oben geschehen, die Elemente ds und do als linear, d. h. ihren Querschnitt als verschwindend klein gegen ihre Länge, sie selbst aber als geradlinig bleibend, wie es bei den unendlich kleinen Längenelementen einer Curve geschehen darf, so können sich in dem Ausdrucke von p ändern die Grössen ds, do, e und r. Die entsprechenden Kräfte sind dem entsprechend:

1) ein Kräftepaar, welches die Enden von ds angreift, dessen Componenten parallel do gerichtet sind, und die Intensität haben:

i . j. do

Dieses Kräftepaar strebt den Strom i in ds parallel und gleichgerichtet zu stellen dem Strome j in do.

2) ein entsprechendes Kräftepaar, welches do parallel ds zu stellen sucht, dessen Componenten die Endpunkte von do angreifen, parallel ds gerichtet sind, und die Intensität haben: i.j.ds

Beide Kräftepaare werden die Elemente auch zu dehnen streben, wenn cos & positiv ist.

3) eine Anziehungskraft zwischen beiden Elementen in Richtung der Linie r, deren Grösse ist:

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Das heisst: wenn die Stromesrichtungen gleichnamiger Elektricität mit einander einen spitzen Winkel bilden, ziehen sich

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die beiden Ströme an; bilden sie einen stumpfen Winkel, so stossen sie sich ab.

Das Drehungsmoment jener beiden Kräftepaare hat den Werth:

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Aus der Vergleichung dieses Werthes mit dem für die Anziehungskraft geht hervor, dass wie bei den Einwirkungen, welche eine kleine Magnetnadel von entfernten Magneten erleidet, in grösseren Entfernungen die drehenden Kräfte einen überwiegenden Einfluss den anziehenden gegenüber haben werden.

Will man ermitteln, ob die elektrodynamischen Kräfte eine gewisse Lagenänderung eines der Leiter oder seiner Theile unterstützen können, so hat man nur nachzusehen, ob durch die betreffende Lagenänderung der Werth des Potentials der beiden Stromleitungen aufeinander kleiner werde. Ist das der Fall, so unterstützen die elektrodynamischen Kräfte die Bewegung, oder streben sie hervorzubringen, wenn sie noch 549 nicht besteht. Natürlich muss aber eine solche Untersuchung sich auf alle bewegten Theile des Leiters erstrecken, und man muss nicht willkürlich einige berücksichtigen und andere ausser Betracht lassen.

Bei der gewöhnlichen Art die Rotation eines Leiters um einen vertical aufgestellten Magneten zu zeigen, lässt man einen starren Bügel um eine mit der Axe des Magneten zusammenfallende verticale Axe rotiren. Die Theile des Leiters können. dabei keine andere Bewegung machen, als die Rotationsbewegung; folglich ist bei der Anwendung des Potentialgesetzes auf diesen besonderen Fall auch auf keine andere mögliche Bewegung des starren Leiters Rücksicht zu nehmen. Hr. Riecke hatte richtig hervorgehoben, dass in diesem Falle das elektrodynamische Potential auf die verschiedenen Theile des rotirenden Bügels keine Aenderung erleidet, und da dennoch Rotation desselben eintritt geglaubt daraus einen Einwand gegen das Potentialgesetz hernehmen zu können. Ich selbst hatte dagegen darauf aufmerksam gemacht, dass

1) Göttinger Nachrichten 14. August 1872.

rotirende Kräfte auf die stromleitenden Flüssigkeitsfäden des Quecksilbers oder der Elektrolyten einwirken, durch welche man dem peripherischen Ende des Bügels den Strom zuleiten muss. Dadurch werden die dem Leiter adhärirenden Theile dieser Flüssigkeitsfäden im Sinne der wirklich stattfindenden Rotation fortbewegt, und nehmen den festen Leiter mit.

Dies hindert nun natürlich nicht, dass wenn man irgend welche Theile des Bügels beweglich macht, diese ihrerseits durch die elektrodynamischen Kräfte, denen sie ausgesetzt sind, entsprechend gerichtet werden. Dies hat zum Beispiel Hr. Zöllner betreffs der seitlichen verticalen Theile des Bügels gethan, indem er sie aus Ketten oder dünnen frei herabhängenden Kupferdrähten bestehen liess. Da nun bekanntlich ein Magnet einen seiner Längsaxe parallel neben ihm herlaufenden Stromleiter nach dem Ampère'schen, wie nach dem Potentialgesetze quer gegen seine Längsaxe, das heisst parallel den dem 550 Drahte zugewendeten Seiten seiner Kreisströme, zu stellen sucht, so geschieht dies auch in diesem Falle so, wie es der genannte Autor beobachtet hat. Da es die gleiche drehende Kraft ist, welche auf den beweglichen Draht und auf die stromleitenden Flüssigkeitsfäden wirkt, in die sich sein unteres Ende verlängert, so werden beide auch in gleichem Sinne gedreht, nur dass die Drehung des Drahtes ihre Grenzen findet an seiner Festigkeit und Schwere, die Drehung in der Flüssigkeit aber ohne Grenze vorwärts gehen kann. Darum geht das obere Ende des beweglichen Drahtes bei der Rotation voraus, oder neigt sich wenigstens im Sinne derselben vorwärts, wenn die Flüssigkeit zu zäh ist, um die Rotation zu gestatten.

Diese so einfache und bei folgerichtiger Anwendung des Princips sich nothwendig ergebende Erklärung der Zöllnerschen Versuche hat auch Hr. C. Neumann (Sohn) übersehen, indem er (Berichte der Königl. Sächs. Gesellschaft der Wiss. 8. Aug. 1874, S. 145) die Erwartung ausspricht, dass diesen Versuchen gegenüber die Potentialtheorie nicht mehr zu halten sein würde.

Ich wende mich nun zu den von Hrn. Herwig beschriebenen Versuchen. Derselbe hat das Quecksilber beseitigt und dafür sehr biegsame Drähte angewendet. Der feste Bügel

ist aufgehängt an einem oberen verticalen Draht, der bei der Drehung torquirt wird, und dessen elektromagnetische Wirkung nicht in Betracht kommt, wie besonders zu diesem Zwecke angestellte Versuche gezeigt haben. Letzteres stimmt übrigens mit den Folgerungen aus der Theorie überein, wenn man die Dicke des Drahtes als verschwindend klein betrachtet. Der zweite Draht (def in der Figur S. 265 dieses Bandes), der den Strom zum unteren Ende des Bügels leitet, beschreibt einen horizontalen Halbkreis, dessen Mittelpunkt in der gemeinsamen Axe des Elektromagneten und der Rotation liegt. Dieser 551 Draht muss von den Kreisströmen des Elektromagneten angezogen und abgestossen werden, je nachdem in beiden die Ströme gleich oder entgegengesetzt gerichtet sind. Im ersteren Falle wird er gegen d drücken, im zweiten Falle daran ziehen, und da der Bügel so aufgehängt ist, dass er nur im Sinne der Rotation merkliche Verschiebungen machen kann, wird er Drehbewegungen beginnen und so weit fortsetzen, bis die Elasticität der gebogenen Drähte def und dgf den elektromagnetischen Kräften das Gleichgewicht hält. Drehung in dem genannten Sinne ist es, die wirklich eintritt.

Alles dies ist in Uebereinstimmung mit dem Potentialgesetze. Auch dass Hr. Herwig bei Verschiebungen des Magneten durch Berechnung nach Ampère's Formel annähernd richtige Verhältnisse für die Grösse der Drehkräfte erhielt, ist kein Widerspruch gegen das Potentialgesetz, da die resultirenden Kräfte nach beiden Gesetzen immer die gleichen sein müssen. Ebenso hat der genannte Experimentator aus dem Potentialgesetze richtig geschlossen, dass die Drehkraft gleich gross sein müsse, wenn er den Draht def durch Heben und Senken des Magneten in symmetrische Lage zu beiden Polen brachte. Der Versuch bestätigte dies. Ich erlaube mir dabei zu bemerken, dass dies eines der Beispiele ist, welche zeigen, wie übersichtlich die Erscheinungen durch das Potentialgesetz werden. Um diese Folgerung bei der sehr asymmetrischen Beschaffenheit des Bügels direct aus dem Ampère'schen Gesetze zu ziehen, wären wohl ziemlich weitläuftige Rechnungen nöthig gewesen. Sich ableiten lassen muss sie schliesslich aus dem letzteren auch.

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