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Galvanismus.

XLII.

Ueber galvanische Polarisation in gasfreien Flüssig

keiten.

Aus: Poggendorff's Annalen Bd. CL. S. 483-495.

der Berliner Akademie 1873. S. 587-597.

Monatsberichte

Ich will mir erlauben, der Akademie Mittheilung zu machen 483 von den Ergebnissen einer Reihe von Versuchen, die ich über die galvanische Polarisation des Platins angestellt habe. Diese Versuche erforderten meist sehr lange Zeit, und ich bitte deshalb um Verzeihung, wenn ich eine Anzahl weiterer Fragen, die sich dabei aufdrängen, vorläufig unbeantwortet lassen muss.

Es ist bekannt, dass, wenn ein Daniell'sches Zinkkupferelement durch eine Wasserzersetzungszelle mit Platinelektroden geschlossen wird, ein Strom entsteht von schnell abnehmender Stärke, der bei der gewöhnlichen Art den Versuch anzustellen, nach kurzer Zeit zwar sehr schwach wird, aber selbst nach sehr langer Zeit nicht ganz aufhört. Wir wollen diesen Strom den 484 polarisirenden nennen. Wenn wir nachher die Zersetzungszelle von dem Daniell'schen Elemente trennen, und ihre Platinplatten mit dem Voltameter verbinden, so erhalten wir einen anderen Strom, den depolarisirenden, der in der Zersetzungszelle entgegengesetzte Richtung hat, als der polarisirende, und ebenfalls anfangs stark ist, unter den gewöhnlichen Bedingungen der Beobachtung aber meist bald bis zum Unwahrnehmbaren schwindet.

Es ist im Wesentlichen dieser einfache Versuch, auf den sich meine Untersuchungen beziehen. Die zu lösende Frage war: Worauf beruht die, wie es scheint, unbegrenzt lange Fort

dauer des polarisirenden Stromes? In einer Kette von der angegebenen Zusammensetzung kann nämlich, wenn nicht noch andere Veränderungen darin vorgehen, die nach dem Faraday'schen Gesetze erfolgende elektrolytische Leitung in den Flüssigkeiten nicht zu Stande kommen ohne eine Verletzung des Gesetzes von der Erhaltung der Kraft. Wenn nämlich keine anderen Aequivalente potenzieller Energie verbraucht werden, müsste in einer solchen Kette das mechanische Aequivalent der in dem Stromkreise erzeugten Wärme gleich sein dem Arbeitsäquivalent der bei der Elektrolyse wirksam gewordenen und verbrauchten chemischen Kräfte. Letzteres ist aber, wenn die Zersetzung nach dem Gesetze der elektrolytischen Aequivalente vor sich geht, negativ1), und kann also nicht einer durch den Strom zu erzeugenden positiven Wärmearbeit gleich sein. Wasserzersetzung kann also, wenn das 485 Faraday'sche Gesetz ausschliesslich gültig ist, durch ein Daniell'sches Element auch in der minimalsten Menge nicht dauernd unterhalten werden. In der That wird ein Freiwerden der Gase, welche das Wasser zusammensetzen, bei dem oben beschriebenen Versuche nicht beobachtet, wenn auch der Strom noch so lange fortdauert.

Dabei ist es wohl zu bemerken, dass auch nicht durch Diffusion oder irgend einen der Diffusion ähnlichen Process die bei der Polarisation der Platten gegen diese hingedrängten Molekeln von Wasserstoff und Sauerstoff frei werden und sich etwa wieder unelektrisch von den Platten entfernen könnten. Ein solcher Vorgang würde schliesslich immer wieder als Arbeitsresultat eine Wasserzersetzung ergeben, für welche keine äquivalente treibende Kraft in dem Daniell'schen Ele

1) Nach Andrews giebt 1 grm Wasserstoff, zu Wasser verbrennend. 33808 Wärmeeinheiten, nach Favre und Silbermann 34462. Für jedes Gramm Wasserstoff werden in dem Daniell'schen Elemente 32,5 grm Zink aufgelöst und dafür die äquivalente Menge Kupfer niedergeschlagen. Diese Menge Zink, wenn sie Kupfer aus der Verbindung mit Schwefelsäure scheidet, erzeugt nach Favre nur 23205 Wärmeeinheiten. Dem entsprechend ist auch eine elektromotorische Kraft von mindestens anderthalb Daniell's nöthig, um die schwächste dauernde Wasserzersetzung zu unterhalten.

mente gegeben wäre. Wenn, wie es wahrscheinlich ist, bei der galvanischen Polarisation der Elektroden eine veränderte Anordnung der Wasserstoff- und Sauerstoff-Atome, sei es im Innern, sei es an den Grenzflächen der Flüssigkeit, eintritt, so werden diese Theilchen jedenfalls durch (chemische oder elektrische) Anziehungskräfte an ihrer Stelle festgehalten, bis neue hinreichend starke Kräfte zu Hülfe kommen, um sie frei zu machen. Welche Beziehungen zwischen elektrischen und chemischen Anziehungskräften man auch annehmen möge, so wird, wenn das Gesetz von der Erhaltung der Kraft gilt, eine elektrische Anziehung auf eins der Elemente, deren Potential gross genug ist, um die chemische Verwandtschaft zu überwinden, eben selbst wiederum nur durch eine Kraft von gleichem oder grösserem Arbeitsäquivalent überwunden werden können, um das angezogene Theilchen frei beweglich in der Flüssigkeit zu machen.

Wenn nun die elektromotorische Kraft des Daniell'schen Elementes in unserem Falle keine sichtbare Wasserzersetzung hervorbringt, so bringt sie doch Polarisation der Elektroden hervor, und diese ist selbst ein Arbeitsäquivalent. Denn die polarisirten Platten sind nachher, von dem polarisirenden galvanischen Elemente getrennt, im Stande selbstständig für eine gewisse Zeit einen elektrischen Strom hervorzubringen, also 496 Wärme im Leitungsdrahte zu entwickeln, beziehlich bei passender Anordnung alle anderen Formen der Arbeit zu leisten, welche galvanische Ströme leisten können. Im Zustande der Polarisation haben wir es offenbar mit einer veränderten Anordnung der ponderablen Atome und der Elektricitäten in der Zersetzungszelle und an ihren Elektroden zu thun, über deren besondere Beschaffenheit wir hier weiter keine specielleren Annahmen zu machen oder Vermuthungen aufzustellen nöthig haben, so lange es sich nur um Berücksichtigung der Arbeitswerthe handelt. Der Zustand der Polarisation ist zu betrachten als ein neuer Gleichgewichtszustand, dem die Zersetzungszelle unter dem Einflusse der Elektrisirung der Elektroden zustrebt, und der, wenn die in den Elektroden angehäufte Elektricität sich entladen kann, wieder in den Zustand elektrisch-neutralen Gleichgewichts zurückstrebt. Da aber zur Herstellung eines

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