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veränderten Gleichgewichts in einem begrenzten Systeme von Körpern, wie die Zersetzungszelle ist, immer nur ein endlicher Betrag von Arbeit nöthig ist, so kann die Herstellung der Polarisation immer nur einen Strom von endlicher Dauer geben, oder einen solchen, dessen Intensität sich asymptotisch der Null nähert, und der polarisirende Strom könnte im Ganzen nur eben so viel Elektricität in der einen Richtung strömen machen, als der depolarisirende in der entgegengesetzten Richtung.

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Insoweit dies der Fall ist, und meine Versuche zeigen, dass man in gasfreien Flüssigkeiten und bei gasfreien Elektroden einem solchen Zustande wenigstens sehr nahe kommen kann, wirkt die Zersetzungszelle wie ein Condensator von sehr grosser Capacität. In der That, wenn man nach der gewöhnlichen Vorstellungsweise negativ geladenen Sauerstoff der einen Elektrode, positiv geladenen Wasserstoff der anderen Elektrode genähert denkt, aber so, dass ein Austausch der Elektricität zwischen der Elektrode und den genannten Bestandtheilen des Wassers nicht möglich ist, so wird sich auf der Elektrode 487 selbst die entsprechende Menge der entgegengesetzten Elektricität anhäufen können, und jede Elektrode würde dann mit der Flüssigkeit einen Condensator von verschwindend kleiner Dicke der isolirenden Schicht, und eben deshalb von ungeheurer Capacität bilden. Diese Analogie ist neuerdings von den Herren Varley) und Maxwell) betont worden.

In der That entsprechen die Erscheinungen, die bei Einschaltung eines polarisirbaren Plattenpaares in einen Stromkreis entstehen, in ihren Hauptzügen denen, welche ein Condensator von sehr grosser Capacität darbieten würde. Der polarisirende Strom ist der Strom, welcher den Condensator ladet, der depolarisirende der, welcher ihn entladet. Man muss sich die Capacität des Condensators nur so gross vorstellen, dass seine Ladung und Entladung wahrnehmbare Zeiträume, Secunden oder Minuten, in Anspruch nimmt. Herr Varley hat ver

1) Proceed. Roy. Society. Jan. 12. 1881.

2) A Treatise on Electricity and Magnetism. Oxford 1873. Vol. I, pag. 322.

sucht, die Capacität eines solchen Condensators zu messen; indessen wird das Folgende zeigen, dass, wenn nicht ganz besondere Vorsichtsmaassregeln bei den Versuchen gebraucht werden, noch andere Vorgänge eine wesentliche Rolle spielen und das Endergebniss in hohem Grade beeinflussen können.

Die Vorgänge bei wirklichen Versuchen mit polarisirbaren Elektroden unterscheiden sich nun von denen, die an einem gut isolirten Condensator vorgehen, dadurch, dass der ladende Strom viel länger dauert als der entladende, langsamer abnimmt als der letzte und eigentlich nie aufhört. In dieser Beziehung erscheint eine Zelle mit polarisirbaren Platinplatten einem Condensator mit schlecht isolirender Zwischenschicht ähnlich, und selbst die Erscheinungen des elektrischen Rückstandes finden ihr Analogon in der nach jeder Unterbrechung des Stromes neu hervortretenden Verstärkung der Polarisation.

Es läge nahe, bei einer polarisirten Zersetzungszelle den- 498 selben Grund für die Fortdauer des ladenden Stromes anzunehmen, wie für einen schlecht isolirenden Condensator, nämlich die Existenz einer geringen metallischen Leitungsfähigkeit in den elektrolysirbaren Flüssigkeiten; was eine Beschränkung der Gültigkeit von Faraday's Gesetz einschliessen würde. Ehe wir indessen einen solchen Schluss ziehen, ist zu untersuchen, ob nicht noch andere Veränderungen in der Flüssigkeit und in den Elektroden vor sich gehen, welche ähnliche Erfolge haben könnten. Und zwar wäre hier hauptsächlich an die Rolle zu denken, welche die in der Flüssigkeit aufgelösten oder nach Graham's Entdeckung in dem Metall der Elektroden occludirten Gase spielen können.

Es ist bekannt, dass die galvanische Polarisation einer Platinplatte, welche als Wasserstoffelektrode in einer Zersetzungszelle dient, durch directe Berührung mit dem Sauerstoff der Luft, durch Zuleiten lufthaltigen Wassers und durch Berührung von solchen Flüssigkeiten, welche Sauerstoff chemisch gebunden enthalten, ihn aber an den ausscheidenden Wasserstoff abgeben können, vermindert oder aufgehoben wird.

Dasselbe gilt für die Sauerstoffpolarisation einer Platinplatte, wenn sie mit im Wasser gelöstem Wasserstoff oder

anderen chemischen Verbindungen in Berührung ist, welche Sauerstoff aufnehmen können.

Ausserdem wissen wir, dass das Platin nach Graham's Entdeckung, wenn auch in geringerem Maasse als das Palladium, die Fähigkeit hat, Wasserstoff in seine Masse aufzunehmen. Die Aufnahme von Sauerstoff, welche wir beim geschmolzenen Silber kennen, konnte für das Platin auf che mischem Wege allerdings durch Graham nicht direct nachgewiesen werden; doch scheinen die im Folgenden zu beschreibenden Polarisations-Erscheinungen anzuzeigen, dass für den Sauerstoff ganz ähnliche Verhältnisse wie für den Wasserstoff bestehen, und dass nur die Menge des vom Platin zu occludirenden Sauerstoffes viel geringer ist als die des Wasserstoffes. 489 Wenn nun ein elektrischer Strom durch eine Wasserzersetzungszelle geht, deren Flüssigkeit Wasserstoff gelöst enthält, oder deren Platinelektroden ihn occludirt haben, so wird an derjenigen Elektrode, zu welcher der Strom den Sauerstoff hindrängt, dieser wieder zu Wasser werden können, indem eine entsprechende Menge gelösten Wasserstoffes aus der Flüssigkeit, oder occludirten Wasserstoffes aus der Elektrode dazu verbraucht wird. Andererseits wird statt dieses bisher freien (wenigstens nicht mit Sauerstoff chemisch vereinigten) Wasserstoffes eine gleiche Menge elektrolytisch ausgeschiedenen Wasserstoffes an der anderen Elektrode wiedererscheinen, und entweder in der Flüssigkeit sich lösen, oder wenn Zeit und Raum dazu ist, in die Platinelektrode selbst hineingedrängt werden. Obgleich hierbei also Elektrolyse in der Flüssigkeit stattfindet, so kommen doch schliesslich die beiden Producte der Elektrolyse nicht zum Vorschein; sondern das Endresultat ist, dass freier Wasserstoff an oder in der einen Elektrode verschwindet und an oder in der anderen in vermehrter Menge auftritt. Ich möchte mir erlauben, für diesen Vorgang, der bei den Polarisationsströmen eine hervorragende Rolle spielt, den Namen der elektrolytischen Convection vorzuschlagen. Es ist bei diesem Processe daher auch von der den Strom treibenden elektromotorischen Kraft nicht die Arbeit gegen die chemischen Verwandtschaftskräfte des Wasserstoffs und Sauerstoffs zu leisten, welche geleistet werden muss, wenn Wasser in diese

seine beiden Elemente endgültig getrennt werden soll, und elektrolytische Convection kann deshalb durch eine schwache elektromotorische Kraft unterhalten werden, welche durchaus nicht im Stande ist, Wasser wirklich zu zersetzen, wie z. B. durch die Kraft von einem Daniell'schen Elemente.

Das Gleiche gilt, wenn die Flüssigkeit sauerstoffhaltig ist, oder die Platinplatten Sauerstoff occludirt enthalten sollten. Dann verschwindet durch die elektrolytische Convection freier Sauerstoff auf der einen Seite, während die gleiche Menge auf 490 der anderen Seite zum Vorschein kommt.

Der auf solche Weise bei dem Vorgange der Convection an der einen Elektrode frei gewordene Wasserstoff oder Sauerstoff ist, so weit er nicht in die Elektrode occludirt wird, offenbar ebenso frei, in der Flüssigkeit zu diffundiren, durch Strömungen derselben fortgeführt zu werden, beziehlich sich als Gas zu entwickeln, wenn die Flüssigkeit gesättigt ist, wie die bei der gewöhnlichen Elektrolyse entwickelten Gase. Indem er in der Flüssigkeit diffundirt, wird er auch wieder zur anderen Elektrode gelangen können, um wieder der elektrolytischen Convection zu verfallen, und auf diese Weise in fortdauerndem Kreislaufe einen gewissen Grad elektrischer Strömung unterhalten können.

Ein Daniell'sches Element kann also in einer Wasserzersetzungszelle mit Platinelektroden nicht bloss dann, wenn die Flüssigkeit mit der Luft in Berührung ist, einen nie aufhörenden schwachen Strom unterhalten, sondern auch in einem vollkommen abgeschlossenen Gefässe, wenn dessen Elektroden mit Sauerstoff gesättigt sind und seine Flüssigkeit Sauerstoff aufgelöst enthält.

Der Apparat, mit dem ich Versuche in dieser Richtung angestellt habe, war ein mit einer Quecksilber-Luftpumpe verbundenes und hermetisch geschlossenes Voltameter, welches zwei grosse cylindrisch zusammengebogene Platinplatten von annähernd 180 und 300 Quadratcentimeter Fläche enthält, die durch eingeschmolzene Platindrähte nach aussen hin Ableitung hatten. Die Flüssigkeit in diesem Voltameter reichte nach unten bis an das Quecksilber der Pumpe, mit dem sie gehoben und gesenkt wurde, während die über der Flüssigkeit sich an

sammelnden Gase durch einen besonderen Hahn immer wieder entfernt werden konnten. So war es möglich, über der Flüssigkeit immer wieder ein nur Wasserdämpfe enthaltendes Vacuum herzustellen und die Flüssigkeit allmählig von jeder Spur aufgelösten Gases zu befreien.

491 Sauerstoffsättigung der Platten erreicht man dadurch, dass man mehrere Tage lang an ihnen beiden durch einen schwachen Strom, der durch einen eingeschobenen Platindraht als Wasserstoffelektrode eingeleitet wird, Sauerstoff entwickelt. Ich habe Wochen lang einen nur durch elektrolytische Convection unterhaltenen Strom unter dem Einfluss eines begrenzten Sauerstoffvorrathes in hermetisch abgesperrter Flüssigkeit bestehen sehen. Charakteristisch für den Einfluss der Flüssigkeit ist hierbei, dass jede mechanische Bewegung derselben, namentlich aber auch circulirende Bewegungen, die durch Temperaturänderungen hervorgerufen werden, den Strom erheblich verstärken. Dies fällt in gasfreien Flüssigkeiten so gut wie ganz fort.

Viel wirksamer als Sauerstoff ist in dieser Beziehung Wasserstoff, weil er sich in sehr grosser Menge in den Platten ansammeln kann. Bei reichlicher Sättigung der Platten und der Flüssigkeit mit elektrolytisch entwickeltem Wasserstoff verhält sich eine solche Zersetzungszelle gegen schwächere Ströme Stunden lang oder selbst Tage lang wie ein unpolarisirbares Element, ähnlich einer Silberlösung zwischen Silberelektroden. Man kann, trotzdem sie eingeschaltet ist, Widerstandsmessungen in ihrem Kreise mit der vollkommensten Genauigkeit ausführen, und sie zeigt nach Unterbrechung des Batteriestromes kaum eine Spur von Polarisation. Bisher ist es mir besser gelungen, diesen Zustand der Wasserstoff sättigung unter Anwendung von verdünnter Schwefelsäure als elektrolytischer Flüssigkeit hervorzurufen, denn mit destillirtem Wasser.

Die Constanz des Stromes findet aber ihr Ende, wenn durch die Convection des Wasserstoffes der Vorrath desselben in der einen Platte anfängt sparsam zu werden.

Unter diesen Bedingungen kann man auch zuweilen bei Anwendung nur eines, aber gut leitenden Daniell'schen Ele

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