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Ränder der Platinplatte ragten nach allen Seiten über die Schicht des Kittes hinaus, sodass sicher keine leitende Flüssigkeitsbrücke zwischen der einen und anderen Seite des Platins bestand. Die Glasgefässe wurden mit destillirtem Wasser gefüllt, dem einige Tropfen reiner Schwefelsäure zugesetzt waren. 417 Durch die oberen Oeffnungen der Gefässe ragten zwei andere Platinplatten in dieselbe hinein. Vor der Zusammensetzung des Apparates waren die drei Platinplatten durch Ausglühen und Waschen möglichst gereinigt. Um zu prüfen, ob das Platin vollkommen dicht sei, wurde eine Probe des angewendeten Platinbleches als Verschluss des einen Schenkels eines in beiden Schenkeln luftleer gemachten Manometers aufgeschmolzen. Es fand sich, dass keine merkliche Spur Luft im Laufe von zwei Monaten eingedrungen war.

Da die Fortbewegung der Gase im Platin jedenfalls nur äusserst langsam geschieht, und der kleine Vorrath, der bis zur jenseitigen Oberfläche gedrungen ist, leicht erschöpft werden kann, so wurde der ganze Apparat dauernd unter der ausgepumpten Glocke einer Luftpumpe gehalten, sodass nur die Zuleitungsdrähte zu den drei Platinplatten nach aussen reichten. Ferner musste vermieden werden, einen auch nur kurz dauernden depolarisirenden Strom zu Stande kommen zu lassen. Es musste deshalb statt des Galvanometers ein Instrument angewendet werden, was ohne dauernden Strom den bestehenden Potentialunterschied anzeigen konnte. Hierzu erwies sich das Lippmann'sche Capillarelektrometer 1) als sehr brauchbar. Es wurde bei den Beobachtungen das Mikroskop auf eine bestimmte Stelle der capillaren Glasröhre eingestellt erhalten, und der Unterschied der Drucke bestimmt, welche nöthig waren, um bei alternirender Verbindung der beiden Pole des Elektrometers mit den beiden Platinplatten die Quecksilbersäule in der capillaren Röhre bis an denselben Theilstrich zu führen. Positive Druckdifferenz zeigt im Folgenden ein positiveres Potential in der Platte B als in der Platte C an. Der Druckunterschied 1 entspricht etwa dem von eines Daniell'schen Elementes.

1) Pogg. Ann. Bd. CXXXXIX. S. 551.

Nachdem der Apparat zusammengesetzt war, liess man die drei Platinplatten zunächst 18 Stunden lang unter sich und mit der Erde in leitender Verbindung, um die Reste älterer 418 Polarisation zu beseitigen. Dann wurden sie voneinander und von der Erde isolirt, und es wurde nun 14 Tage lang täglich die elektromotorische Kraft zwischen der mittleren B und einer der äusseren C untersucht, um zu ermitteln, ob aus anderen Ursachen schnelle Aenderungen der Polarisation zu erwarten wären. Die Kraft fiel während der ersten Hälfte dieser Zeit von 4,83 bis 0,40 und stieg dann allmählig auf 1,37, um gegen den Schluss der genannten Periode wieder zu sinken; die Aenderungen geschahen aber langsam und ohne schnelle Sprünge.

Es zeigte sich nun, dass, wenn auch nur fünf Minuten lang zwei Daniell'sche Elemente zwischen der einen äusseren Platte A und der mittleren B geschlossen wurden, welche Wasserstoff gegen die Platte B führten, eine Aenderung im elektromotorischen Verhalten der anderen Seite von B gegen die zweite äussere Platte C eintrat.

So war z. B. in einer Versuchsreihe unmittelbar vor dem Schluss des Stromes durch A und B die Druckdifferenz zwischen B und C -0,6 gewesen. Nach einer Durchströmung von 5 Minuten Dauer, wobei die Platte C elektrisch isolirt blieb, war die Druckdifferenz +5,2, stieg dann bei isolirten Platten im Laufe der nächsten drei Stunden auf 17,1, und war 18 Stunden später wieder - 3.

In anderen Versuchen wurde der Strom zwischen A und B 12 oder 18 Stunden lang geschlossen. Dann war der Potentialunterschied zwischen B und C gleich nach Unterbrechung jenes Stromes am grössten und nahm in den darauf folgenden Stunden allmählig ab.

Wenn der Strom zwischen A und B die entgegengesetzte Richtung erhielt, sodass er den Sauerstoff gegen B drängte, so trat auch auf der anderen Seite von B mit derselben Schnelligkeit und zum Theil mit derselben, zum Theil selbst mit grösserer Intensität der entgegengesetzte Erfolg ein als bei der früheren Wasserstoffpolarisation. Ob dieser Unterschied in der Grösse der beobachteten Wirkung nicht durch die vorausgegangene

419 Wasserstoffpolarisation bedingt sei, lässt sich aus den bisher vorliegenden Versuchen nicht entscheiden. Da zuweilen der Zustand der Platten B und C durch Schliessung derselben zum Kreise ausgeglichen worden ist, kann eine merkliche Menge Wasserstoffes dabei auch auf C übertragen worden sein, und davon die stärkere Wirkung des mit Sauerstoff polarisirten B herrühren. Ueberhaupt scheiterten quantitative Bestimmungen der Wirkung zunächst daran, dass die einmal in die Platte hineingetriebenen Gasmengen in deren Innerem sich nur sehr langsam ausgleichen, und auch nur langsam wieder entfernt werden können. Uebrigens zeigt sich die Wirkung auch ganz deutlich bei Anwendung von nur einem Daniell'schen Elemente zwischen A und B, und andererseits war die Wirkung von zwei Bunsen'schen Elementen nur unbedeutend grösser als von zwei Daniell's. Das letztere kann seinen Grund darin finden, dass bei eintretender elektrolytischer Gasentwickelung die entweichenden Theile der Gase sich der Kraft entziehen. welche sie in das Platin hineindrängt, und daher weitere Verstärkung der elektromotorischen Kraft wohl die Wasserzersetzung vermehrt, aber nicht oder nur wenig die Eindrängung der Gase in das Platin steigert, wie ja auch bekannt ist, dass die Polarisation der Platten, sobald es einmal bis zur Gasentwickelung gekommen ist, nur wenig höher gesteigert werden kann.

Wurden die Platten B und C für kurze Zeit leitend verbunden, nachdem B von A her mit Gas beladen war, so war unmittelbar nach Unterbrechung dieser Leitung der Potentialunterschied zwischen beiden gleich Null, stieg dann aber wieder an nach derselben Seite, nach welcher er vor der leitenden Verbindung bestanden hatte, in ganz ähnlicher Weise, wie dies zu geschehen pflegt, wenn die beiden Platten durch einen direct durch sie geleiteten elektrischen Strom polarisirt wor den sind.

Dieses Wiedererscheinen einer vorher bestandenen Polarisation habe ich schon früher dadurch zu erklären gesucht, dass 420 der depolarisirende Strom nur aus der oberflächlichsten Schicht des Platins die Gase wegnimmt, und später neue Gasvorräthe aus der Tiefe zur Oberfläche dringen. Dies geschieht also in

derselben Weise, wenn der ganze Gasvorrath von der anderen Seite hergekommen ist.

Versuche, welche Hr. Dr. Root mit einem passend abgeänderten Apparate anstellte über die Frage, ob freier Wasserstoff, der mit der abgewendeten Seite von B in Berührung war, während freier Sauerstoff an der abgewendeten Seite von C sich befand, die Platten durchdringe und auf der anderen Seite polarisire, gaben keine hinreichend deutlichen Resultate. In diesen Fällen fehlt eben die elektrische Kraft, welche die positiven Wasserstoffmolekeln in das Platin hineinpresst.

XLIV.

Ueber galvanische Ströme, verursacht durch Concentrationsunterschiede; Folgerungen aus der mechanischen Wärmetheorie.1)

Aus: Wiedemann's Annalen Bd. III. S 201-216. Monatsberichte der Berliner Akademie 1877. 26. November

201 Als elektrochemisches Aequivalent eines Ions wollen wir diejenige Menge desselben betrachten, die durch die gewählte Stromeinheit in der Zeiteinheit an der entsprechenden Elektrode ausgeschieden wird.

202 Die Ueberführungszahl n, auf das Kation bezogen (Hittorf's 1/n), giebt, wie in G. Wiedemann's Galvanismus“, denjenigen Bruchtheil des Aequivalents des betreffenden Kations, der von der Stromeinheit während der Zeiteinheit durch jeden Querschnitt der Strombahn in der betreffenden Lösung nach der Kathode hingeführt wird. Andererseits wandert in entgegengesetzter Richtung das Quantum (1 – n) des Anions, wodurch (1 n) des Kations an der Kathode frei wird, was mit der Mengen nach dieser Seite geführten Kations vereinigt, die an der Kathode frei werdende Menge 1 giebt. Ebenso ist auf der anderen Seite das Quantum n des Kations weggeführt, dadurch n des Anions frei geworden. Dazu kommt (1 — n) des zugeführten Anions. Wenn nun das Kation ein Metall ist, welches sich an die Elektrode ablagern kann, so schwindet

1) Die nachfolgenden Betrachtungen sind in ihren wesentlichen Theilen der Berliner Akademie (Monatsber. 26. Nov. 1877) mitgetheilt worden. Der Schluss ist umgearbeitet, da inzwischen neue experimentelle Data gewonnen waren.

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