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Unter Moment der Doppelschicht verstehe ich die Dichtigkeit der positiven Flächenbelegung multiplicirt mit dem Abstande von der negativen Flächenbelegung. Jede elementare Elektricitätsmenge in einer solchen Doppelschicht wird abgestossen von den benachbarten gleichnamigen Mengen derselben Schicht, angezogen durch die entgegengesetzten der anderen Schicht. Da aber die Theile der eigenen Schicht näher sind, als die 951 gleich grossen der entgegengesetzten, und näher den tangentialen Richtungen in der Fläche liegen, so wird die Abstossung in Richtung der Fläche die Anziehung überwiegen und in jeder mit einer Doppelschicht belegten Fläche muss die elektrostatische Kraft eine Dehnung der Fläche hervorzubringen streben. Wenn also die elektrisirte Fläche eine capillare Contractionskraft von gewisser Grösse hat, so wird die mit einer Doppelschicht beladene Fläche eine Verminderung der capillaren Spannung zeigen müssen. Es wäre also unter diesen Umständen zu erwarten, dass die capillare Spannung der Fläche im unbeladenen Zustande ein Maximum sein müsste.

Nun haben wir es bei den polarisirten Elektrodenflächen allerdings mit einer viel complicirteren Anordnung zu thun; da die Elektricität, welche im Elektrolyten sich anhäuft, nach Faraday's Gesetz jedenfalls ponderable Jonen des Elektrolyten mit herangeführt hat. Aber die eben angestellte Betrachtung lässt sich auch noch erheblich verallgemeinern auf einem Wege, der schon von Hrn. Lippmann eingeschlagen ist, wobei nur die Voraussetzung festgehalten zu werden braucht, dass die Kräfte, unter deren Einfluss die Grenzschichten sich bilden, conservative Kräfte seien und die dabei eintretenden Aenderungen daher vollkommen reversibel. Das thatsächliche Vorhandensein der Reversibilität dieser Processe ist durch die Versuche von Hrn. Lippmann gleichzeitig grossentheils bestätigt worden.

Für unseren Zweck lässt sich die bezeichnete Verallgemeinerung am einfachsten in folgender Form ausführen. Es sei die Flächenausdehnung der Berührungsfläche und & das Quantum Elektricität, was im Metall längs der Flächeneinheit angehäuft ist. Im Elektrolyten wird der Menge + die Menge ε gegenüberliegen müssen, und durch deren Heranfliessen

werden äquivalente Quanta des Anion herangeführt und angehäuft sein. Unsere Annahme besteht also wesentlich darin, dass die Menge und Anordnung dieser ponderablen Molekule, sowie die der entsprechenden elektrischen Schichten im Metall nur abhänge von der auf jeder Flächeneinheit angesammelten Elektricitätsmenge &. Ist diese Annahme zulässig, so ist der physikalische Zustand der Fläche vollständig definirt, wenn die Grössen und für sie gegeben sind.

Um diesen Zustand der Fläche herzustellen oder zu verändern, wird eine gewisse Arbeit W aufgewendet werden 952 müssen. Erstens wird die Fläche gegen den Einfluss ihrer capillaren Spannung gedehnt werden müssen. Nennen wir T die Kraft, mit welcher die Spannung der Fläche auf jede Längeneinheit ihrer Begrenzung wirkt, so ist bekanntlich T.do die Arbeit, welche bei der Dehnung der Fläche w auf (w+do) gegen die Capillarspannung zu leisten ist.

ω

Zweitens ist Arbeit nöthig, um neue Quanta Elektricität der Doppelschicht zuzuführen. Soll in einen Leiter, dessen Potential (elektrostatisch gemessen) p und dessen galvanische Constante k ist, ein neues Quantum Elektricität dE eingeführt werden, so ist dazu die Arbeit (p−k) dE nöthig. In unserem Falle ist im Metall . E und -8. im Elektrolyten. Die gesammte Arbeit dW für gleichzeitige Zunahme von w um do und von E um dE ergiebt sich also:

oder:

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dW = [T+ & (Pm — Pƒ — km + kƒ)] dw + w. [Pm − Pƒ −km+kƒ] dɛ. Da unter der Voraussetzung conservativer Kräfte W eine Funetion nur von und & sein muss, so folgt, dass :

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[T+ 8 (pm— Pƒ − km + kƒ)] = — [w (pm—Pƒ − km + kƒ)],

ε

oder, wenn wir :

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Pm - Pƒ = P

setzen und berücksichtigen, dass P nicht von ∞ und k und k weder von ɛ noch von o abhängig sind:

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Da T und P nur Functionen von ɛ sind, nicht von w, können wir auch schreiben:

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Letztere Gleichung sagt aus, dass für einen Grenzwerth von T die Dichtigkeit 0 sein müsse. Ausserdem zeigt diese Gleichung, dass der absolute Werth der angesammelten Elektricität durch Messungen von T und P in absolutem Maasse gefunden werden kann.

Die Voraussetzung, dass es conservative Kräfte sind, die das Gleichgewicht an einer polarisirten Fläche bestimmen, führt also nothwendig zu der Voraussetzung, dass in diesem 953 Zustande der maximalen Spannung der Oberfläche die letztere frei von jeder elektrischen Doppelschicht sei und dass eben dann auch kein Potentialunterschied zwischen dem Quecksilber und der Flüssigkeit bestehe. Diese Folgerung kann durch weitere Versuche geprüft werden, da man jede Ladung einer Quecksilberfläche durch schnelle Vergrösserung derselben, wie sie beim Abtropfen vorkommt, muss beseitigen können.

Faraday's elektrolytisches Gesetz, dessen strenge Giltigkeit alle späteren Versuche nur bestätigt haben, zeigt, dass wo keine Elektrolyse möglich ist, auch keine Elektricität vom Metall zum Elektrolyten oder umgekehrt übergehen kann. Einen scheinbaren Widerspruch dagegen könnte man in den bekannten älteren Versuchen über galvanische Ströme, die durch ungleichzeitiges Eintauchen zweier gleichartiger Elektroden in die gleiche Flüssigkeit erregt werden, zu finden glauben. Diese zeigen allerdings, dass sogar ohne vorausgegangene Stromwirkung an den zuerst eingetauchten Platten in den ersten Secunden oder Minuten nach dem Eintauchen Veränderungen vor sich zu gehen pflegen, welche den Potentialunterschied zwischen dem Metall und der Flüssigkeit verändern.

Das Quecksilber, als Elektrode angewendet, hat bei den hierhergehörigen Versuchen einen wichtigen Vortheil vor den festen Metallen. Seine Berührungsfläche mit der Flüssigkeit ist dehnbar und kann beliebig verkleinert oder vergrössert werden, und wenn man die oberflächlichen Theile des Quecksilbers sich in einer Reihe von Tropfen sammeln und abfallen

lässt, so können sich fortdauernd aus dem Inneren des reinen Metalles neue Theile der Oberfläche entwickeln, die vorher weder mit der Luft noch mit der Flüssigkeit in Berührung waren. In der That hat auch schon Hr. Quincke 1), wie mir scheint mit Recht, auf die Analogie der durch schnell tropfendes Quecksilber erregten Ströme mit denen aufmerksam gemacht, welche bei festen Metallen durch ungleichzeitiges Eintauchen erregt werden.

Der Sinn dieser von selbst eintretenden Veränderung an der neugebildeten Quecksilberoberfläche ergiebt sich aus Hrn. 954 Lippmann's 2) und Hrn. Quincke's Beobachtungen. Nach des Letzteren sehr mannigfachen Versuchen geht der positive Strom, der durch abtropfendes und sich im unteren Theile des Elektrolyten wieder sammelndes Quecksilber erzeugt wird, in den bisher untersuchten Elektrolyten immer in Richtung des tropfenden Quecksilbers, d. h. die sich unten sammelnde Quecksilbermasse, an deren Oberfläche die Schichten, die die Aenderung hervorgebracht haben, sich concentriren, hat positiveres Potential als die obere durch Abtropfen immer wieder erneute Fläche.

Eine solche Potentialdifferenz fordert eine elektrische Doppelschicht, deren positive Hälfte im Innern des unteren Quecksilbers, die negative dagegen, am Anion der Flüssigkeit haftende, in der Flüssigkeit liegt. Dadurch ist der Sinn der elektrischen Ladung gegeben, welche sich mit mässiger Geschwindigkeit an der Oberfläche des Quecksilbers bildet. Dass diese Geschwindigkeit eine mässige ist, folgt aus dem Umstande, dass langsamer Tropfenstrom schwache Potentialunterschiede hervorbringt, dass diese aber, wie Hr. Quin cke gezeigt hat, bei wachsender Geschwindigkeit des Tropfenstromes sich bald einem Maximum nähern, welches durch weitere Steigerung der Geschwindigkeit nicht mehr überschritten wird. Dies Letztere wird eintreten, sobald die neuen Theile der oberen Quecksilberfläche so schnell in die Tropfen übergehen, dass sie sich nicht mehr merklich laden können, ehe sie abreissen, und

1) Pogg. Ann. Bd. 153. S. 161.

2) Ebendaselbst Bd. 149. S. 556-558.

daher die obere Fläche in vollständig unverändertem Zustande bleibt.

Nach Faraday's Gesetz würde der hierbei vor sich gehende Eintritt positiver Elektricität in das Metall nur mittels einer Elektrolyse stattfinden können, die einen Stoff beträfe, welcher noch geringere Anziehung zur positiven Elektricität hat als das Quecksilber. Zunächst wäre hier an den atmosphärischen Sauerstoff zu denken, dem man, wenn er elektrisch neutral in der Flüssigkeit aufgelöst ist, ausreichende Verwandtschaft zur negativen Elektricität zuschreiben könnte, um diese dem Quecksilber zu entziehen, und dafür positive an das Metall abzugeben. Die Langsamkeit der Ladung würde sich dadurch erklären, dass dieser gelöste Sauerstoff in geringen Mengen vorhanden ist und nur langsam durch Diffusion erneuert werden kann. Zur Prüfung dieser Hypothese würden noch Versuche anzu- 955 stellen sein, um festzustellen, ob verminderter Sauerstoffgehalt der Flüssigkeit die Strömungen bei gleicher Tropfenzahl für die Secunde schwächer macht. Hrn. Quincke's Versuche 1) zeigen, dass die Wirkung nicht aufhört, auch wenn man den Sauerstoffgehalt der Flüssigkeit so weit beseitigt, als dies durch Auskochen geschehen kann. Bei den enorm grossen Mengen galvanischer Elektricität, welche jedes Milligramm Sauerstoff liefern kann, und der Kleinheit der unteren Quecksilberfläche, welche zu polarisiren ist, wird man kaum darauf rechnen können, durch irgend eine chemische Methode die Flüssigkeit genügend von Sauerstoff zu reinigen, um jede elektrolytische Wirkung des letzteren definitiv aufzuheben, wenn auch Verlangsamung ähnlicher Vorgänge z. B. an Platinflächen durch möglichste Beseitigung des gelösten Sauerstoffes sich sehr wohl erreichen lässt.

Wäre einer der in grösserer Menge vorhandenen Bestandtheile der Flüssigkeit an der Elektrolyse Schuld, so würde wohl dieser ganze Process der Ladung zweier sich berührender Flächen in unwahrnehmbaren kurzen Zeitperioden zu Stande kommen können.

Ich möchte aber die hier hingestellte Hypothese ausdrücklich 1) Pogg. Annalen Bd. 153. S. 170.

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