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IV.

Ueber Eigenschaften des Eises.

Vorgetragen im naturhistorisch-medicinischen Verein zu Heidelberg am 24. Februar 1865. Das Manuscript eingereicht am 10. März. Abgedruckt in den Verhandlungen des Vereins Bd. III S. 194-196. Dasselbe Thema in seinen Beziehungen zur Gletschertheorie ist besprochen in meinen Populären wissenschaftlichen Vorträgen. Heft I S. 93-134.

Das Phänomen der Regelation des Eises von Null Grad, wonach zwei Eisstücke beim Aneinanderpressen zusammenfrieren und sich fest vereinigen, ist von Faraday entdeckt und von James Thomson erklärt worden aus der Erniedrigung des Gefrierpunktes, die bei gesteigertem Drucke eintritt. Dagegen wurden von Faraday Versuche angeführt, bei denen der Druck sehr klein ist, und doch die Eisstücke im Laufe einiger Stunden zusammenfroren.

Der Vortragende hat einige Versuche angestellt, welche dazu dienen können, die gegen J. Thomson's Theorie gemachten Einwände zu heben. Man muss hierbei wesentlich die Zeit berücksichtigen. Unter starkem Drucke haften zwei Eisstücke augenblicklich zusammen, unter Umständen so stark, dass man sie nicht wieder von einander lösen kann. Je schwächer der Druck ist, desto länger muss man warten und desto leichter sind die Stücke nachher wieder von einander zu lösen.

Presst man zwei Eisstücke an einander, so nehmen sie eine Temperatur niedriger als der Gefrierpunkt an, für je eine Atmosphäre Druck 0,0075 eines Centesimalgrades. Die zwischen ihnen zurückbleibende Wasserschicht aber kann entweichen und wird nicht gepresst, deren Gefrierpunkt wird also

auch nicht vermindert, und sie wird gefrieren müssen, da sie mit Eis von weniger als 0° in Berührung ist. Je kleiner der Druck, desto kleiner die Temperaturdifferenz, desto langsamer die Ableitung der Wärme vom Wasser zum Eise, desto langsamer das Gefrieren.

Der Vortragende erhielt einen durch Auskochen luftleer gemachten und zugeschmolzenen Glaskolben, der Wasser und Eis enthielt, in einem Gemisch von Eis und Wasser. Im Innern des Kolbens musste der Gefrierpunkt höher sein als ausserhalb. Deshalb gefror langsam das innere Wasser. Im Laufe einiger Stunden haftete das innen schwimmende Eis immer wieder an der Glaswand des Kolbens, und im Laufe einiger Tage entstanden gut ausgebildete Eiskrystalle über den ganzen Boden des Kolbens. Durch die Glaswand des Kolbens musste natürlich der Process sehr viel langsamer vor sich gehen, als in einer mikroskopisch dünnen Wasserschicht zwischen zwei Eisflächen.

Durch Berücksichtigung dieser Umstände scheinen die gegen die Theorie von Thomson aufgestellten Bedenken beseitigt zu werden. Faraday nimmt an, dass Wassertheilchen in enger Nachbarschaft von Eis durch eine Art von Contactwirkung leichter gefrieren. Dabei wird aber dem Wasser latente Wärme entzogen, und es ist nicht abzusehen, wo die hin kommen soll, oder welche Arbeit sie leisten soll. J. Thomson hat dagegen wohl mit Recht eingewendet, dass Contact- 195 wirkungen in solchen Fällen wohl Hindernisse wegräumen können, welche der Wirksamkeit derjenigen Kräfte entgegenstehen, die Veränderung hervorzubringen streben, aber sie nicht selbst hervorbringen können. Es würde dies ein Widerspruch gegen das Gesetz von der Erhaltung der Kraft sein.

Die Plasticität des Eises zeigt sich nach den Versuchen des Vortragenden am ausgezeichnetsten in Eis, welches durch hohen Druck (50 Atmosphären) aus Schnee zusammengepresst ist. Cylinder aus solchem Eise konnten zwischen zwei Platten in Richtung ihrer Axe zusammengedrückt werden, so dass sie platte Scheiben wurden, und erst gegen das Ende der Pressung bildeten sich offene Spalten an einzelnen Stellen der cylindrischen Oberfläche.

Regelmässig krystallinisches Eis dagegen von der Oberfläche eines gefrorenen Flusses, spaltet beim Druck zwischen zwei Platten in grosse Bruchstücke auseinander, die zwar durch Regelation wieder vereinigt werden, aber dann doch deutlich ein Haufwerk unregelmässiger Stücke bilden.

Körniges Eis dagegen, sei es nun feinkörnig, wie das aus Schnee gepresste Eis, oder grobkörnig, wie krystallinisches Eis, welches in einer geschlossenen eisernen Form zerbrochen und in eine neue Gestalt gepresst worden ist, bildet beim Druck nur kleine Risse, welche den Zusammenhang der Eismasse nicht vollständig trennen.

Ein Cylinder solchen körnigen Eises konnte selbst durch eine Oeffnung, deren Durchmesser nur halb so gross war, als der des Cylinders, hindurchgepresst werden, ohne seinen Zusammenhang zu verlieren. Doch spaltet der engere ausgepresste Cylinder gewöhnlich der Länge nach auf, ähnlich einem Gletscher, der durch eine enge Felsschlucht in ein weites Thal hinein bricht. Es erklärt sich dieses Aufspalten dadurch, dass das Eis durch die Mitte der Oeffnung schneller vordringt, als an deren Rändern.

Bei diesen Versuchen, wobei das Eis einem bis zu 50 Atmosphären gesteigerten Drucke ausgesetzt wird, und seine Temperatur deshalb auf etwa -0°,5 fällt, gefriert oft das Wasser, welches sich in den Spalten der aus mehreren Stücken zusammengesetzten eisernen Form ansammelt.

Das Eis, welches man künstlich aus Schnee zusammenpresst, ist von weisslichem Aussehen und undurchsichtig wegen der Menge kleiner Luftblasen, die es einschliesst. Wenn man es mit der Presse umknetet, wird es immer klarer, indem die Luftblasen durch die sich bildenden kleinen Sprünge ausgetrieben werden. Presst man einen Cylinder solchen Eises zwischen ebenen Platten, so sieht man fortwährend eine Menge kleiner Luftbläschen durch seine nasse Oberfläche entweichen. Dass das Gletschereis schliesslich ganz klar wird, erklärt sich also wohl durch das fortdauernde Umkneten desselben, welches in den Gletschern stattfindet.

Aber auch klares krystallinisches Eis wird trübe, wenn es

unter der Presse in eine andere Form gebracht wird. Ich habe 198 eine geschlossene cylindrische Form aus Gusseisen, in die ein Stempel eingetrieben werden konnte, mit klaren Eisstücken und Wasser gefüllt, so dass alle Luft ausgeschlossen war, und dann das Eis zusammengepresst, während das Wasser durch die Spalten der Form entwich. Der dadurch erzeugte Eisblock war weisslich durchscheinend. Mit der Lupe erkannte man eine grosse Menge sehr feiner und dicht aneinander stehender, das Licht schwach reflectirender Flächen in seinem Innern; wahrscheinlich Spalten von einer Weite, die kleiner als Viertellichtwellenlängen war, die ein Vacuum enthielten. Dass solche spaltförmige unvollständig mit Wasser gefüllte Vacua im Gletschereise vorkommen, hat Tyndall gezeigt. Solche können beim Pressen entstehen, wenn sich die Wände der gebildeten Sprünge mit einer kleinen Verschiebung wieder aneinander legen, wo sie dann nicht genau aufeinander passen.

Wenn ein solcher weisslicher Block gepressten Eises einige Stunden im Eiswasser lag, so wurde er ganz durchsichtig, wie Gletschereis. Mit der Lupe aber erkannte man in seinem Innern eine grosse Zahl von Linien, welche sich durch andere Lichtbrechung auszeichneten, und wie die aneinanderstossenden Kanten einer grossen Zahl kleiner Zellen erschienen. Brach man mit dem Daumennagel einige Theile von der Kante des Blockes los, so erschienen diese als ein Haufwerk kleiner polyedrischer Körner von Stecknadelkopf- bis Erbsengrösse. Jenes zellige Ansehen des Blockes rührte offenbar davon her, dass er durch und durch aus solchen polyedrischen Körnern bestand, zwischen denen sich Wasserschichten befanden. Mittels polarisirten Lichtes liess sich an gepressten Eisplatten von etwa 4 mm Dicke dieselbe Zusammensetzung aus einem Haufwerk von Körnern ebenfalls leicht erkennen, auch sogar unmittelbar nach der Pressung, ehe noch das Schmelzen angefangen hatte. Genau dieselbe Zusammensetzung zeigt bekanntlich schmelzendes Gletschereis, nur dass dieses meist grössere und mehr ineinander verschränkte Körner hat.

Die Entstehung dieser Körner scheint sich dadurch zu erklären, dass die unregelmässigen Bruchstücke, aus denen der zusammengepresste Block besteht und welche durch Regelation

Helmholtz, wissensch. Abhandlungen.

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vereinigt sind, bei der allmäligen Erwärmung des Blockes auf Null Grad gerade an den Stellen abschmelzen, die noch gepresst sind, dass die luftleeren Spalten sich mit diesem Wasser füllen, und so schliesslich eine Masse von aneinander liegenden Körnern entsteht, die durch ihre gegenseitige Verschränkung noch aneinander haften.

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