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tationen (I 19, 39 f.) erzürnt habe. Und so freue ich mich (dies ist hinzuzudenken) schon aus diesem Grunde, aus den Reihen poetischer Schriftsteller ausgeschieden zu sein. Hierauf aber, mit V. 106, beginnt in leichter Ideenverbindung mit jener unter Collegen geübten heuchlerischen Kritik ein neuer Abschnitt, der gewichtigste, welcher die strenge Selbstkritik, die der einsichtige Dichter an seinen Compositionen übt, als das Aufreibendste und Unerfreulichste darstellt, viel unerquicklicher noch in ihrer selbstquälerischen Strenge als jene nur lächerliche und ekelhafte gegenseitige Beräucherung in der Zunft. Diesen einfachen Zusammenhang haben weder Döderlein noch Kolster Jahrbb. 1860 S. 136 ff. erfafst.

V. 171. Die guten Handschriften geben refugit, was auch Porphyrion anerkennt. Aber weder die Zeitform noch die Bedeutung pafst: wie soll die bei festen Grenzsteinen gepflanzte Pappel „fliehen“ oder gar „geflohen sein" vor Streitigkeiten? Freilich hat mich weder Bentley's refigit noch Horkels Conjectur refringit überzeugt, jenes nicht, weil es dem Sprachgebrauch durchaus widerstrebt, dieses, weil es nicht entschieden genug ist: denn nicht nur die Spitze soll allen Grenzstreitigkeiten durch den Baum abgebrochen, sondern sie sollen zurückgewiesen werden. Das ist refutat.

Der Dichter ist von V. 146 an damit beschäftigt, in einem Selbstgespräch zu untersuchen numeros modosque verae vitae, die wahre Lebensharmonie. Er überzeugt sich, dafs äufserer Wohlstand das Glück nicht ausmachen könne, da man sich nicht dabei befriedigt fühle, und wirft sich die Frage auf, was überhaupt Besitz sei. Wie alles Eigenthum einmal erworben sein wolle (gleichviel ob im Grofsen auf einmal oder zum täglichen Gebrauch in kleinen Portionen), so habe es immer nur einen momentanen (zeitlichen) Herrn, gehe von Hand zu Hand, verdiene also nicht, dafs man den Werth des Lebens darein setze. Daher sei das Aufhäufen von Reichthümern und Kostbarkeiten zwecklos (-182), nur der freie Gebrauch sei vernünftig, der ebenso entfernt von nutzloser Verschwendung wie von schmutzigem Geiz

des Lebens Bedürfnisse befriedige (190=183 ff.). Ganz fremd aber ist dieser Betrachtung die Frage nach angeborenen Naturanlagen, wie es komme, dafs von zwei Brüdern der eine zum üppigen Tagedieb, der andere trotz seines Reichthums zum arbeit- und übersparsamen Menschen geschaffen sei (184-190). Nicht dem Genius, der an der Wiege des neugeborenen Kindes steht, sondern der ernsten Selbstzucht durch die Philosophie weist Horaz in dieser Epistel die Aufgabe der Charakterbildung zu. Daher habe ich diesen Abschnitt aus ihr entfernt, und ihm in der zwölften Epistel nach V. 11 seinen Platz angewiesen. Was von V. 190 an folgt, knüpft in Allem an den Abschnitt von V. 175-182 an: utar ist dem habere (182), der modicus acervus den horrea (177) entgegengesetzt, heres erinnert an 175 f.

199=192. modo Verbesserung von Gesner für das handschriftliche domus (domo ein cod. bei Fea): indessen fehlt es in einigen der ältesten, dem Graevianus und Vossianus von Bentley, andere wie der cod. coll. Trinitatis ergänzen willkürlich procul, was in einem Pulmannschen cod. verdoppelt ist. Gesners einleuchtende Verbesserung hat Meineke praef. p. XL gerechtfertigt: durch Jeeps Vorschlag modo ut wird auch der Horazische Gebrauch pyrrhichischer Messung gewahrt.

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V. 207 200. dira e eine gute Verbesserung von Spengel (Philol. XVIII 363 f.) für das überlieferte et ira, womit der Inhalt von V. 211 vorausgenommen würde. Hier handelt es sich um Freiheit von Wahngebilden eines unklaren Geistes. Dafs et ira öfters bei Horaz am Ende eines Hexameters steht, mag den alten Kritiker, der den unleserlichen Text herstellen wollte, zu seiner verunglückten Conjectur verführt haben.

Gedankengang.

Du hast kein Recht, mir meine Saumseligkeit im Briefschreiben vorzuwerfen, da ich sie dir vorausgesagt habe (1-25 m. A.). Auf deine Klage, dafs ich dir die versprochenen Gedichte nicht schicke, diene dir Folgendes zur Antwort. Zum Dichten hat mich seiner Zeit nur die Noth gezwungen: jetzt, wo ich

versorgt bin, wäre ich ein Narr, wenn ich das mühselige Geschäft fortsetzte (26-54). Glaubst du, dafs ich in dem zerstreuenden Leben Roms (55—60), in dem Lärm seiner Strafsen (—78) Verse machen kann? Auch bin ich froh, den Verbindlichkeiten und Rücksichten gegen meine Zunftgenossen enthoben zu sein, denen ich mich, so lange ich selbst dichtete, unterziehen musste (79-95). Und wie mühselig ist das Dichten, wenn man es ernst damit nimmt (96-115)! Weit glücklicher noch schlechte Poeten im Wahn ihrer Vortrefflichkeit (116-130). Meine Poesie ist eben mit anderen Freuden und Thorheiten der Jugend dahin. Dazu die verschiedenen Wünsche des Publicums. Wen soll man befriedigen (131-140)? Das einzig Zweckmäfsige und Angemessene ist eben die Leier an den Nagel zu hängen und für das Heil der Seele zu sorgen durch philosophische Studien. So fordern z. B. die Begierden und Affecte, welche durch keinen Besitz gestillt werden, eine durchgreifende Cur (141—157), wie sie folgende Betrachtung bietet. Eigenthum ist doch nur was unmitttelbar momentan unserem Gebrauch dient, aller andere Besitz ist flüchtig und unsicher (158-174). Also wozu Schätze erwerben (175-182)? Man brauche was man hat mit Maafs, weder verschwenderisch noch geizig, die Mitte haltend wie in allen Dingen (183-197). Nun giebt es aber aufser der Habsucht noch viele andere Thorheiten und Laster, die in ähnlicher Weise zu heilen sind: Ehrgeiz, Todesfurcht, Aberglauben, Rachsucht, Zorn u. s. w. Für den blofsen Genuf's habe ich lange genug gelebt, jetzt will ich lernen, der Vernunft zu leben (198-209).

VON DER DICHTKUNST.

V. 3 ff. conlatis membris müssen Dative, nicht, wie Orelli wollte, Ablative sein, damit inducere plumas sich daran lehnen kann. Denn würden Kopf oder Hals mit Federn überzogen, so wäre es eben kein Menschenkopf und kein Pferdehals mehr. Dafs die einzelnen Glieder des gesammten Leibes aus allen Gebieten hergeholt sind, geht aus der ganzen Schilderung hervor und wird zur Verstärkung des Eindrucks noch ausdrücklich hervorgehoben, ohne dafs deshalb zu verstehen wäre, dafs sämmtliche, so zusammengeborgte Glieder mit Federn bekleidet werden: vielmehr was zwischen Hals und Schwanz zu denken ist erhält diese Hülle. Daher ist die von Spengel Philol. XVIII 95 empfohlene Interpunction plumas, undique conlatis membris ut u. s. w. zurückzuweisen. Auch so kann der Folgesatz ut superne nur eine Ausführung des unmittelbar vorhergehenden undique conlatis sein, wenn nicht Absurdes herauskommen soll. Peerlkamps Vorschlag, nach membris so fortzufahren: ut nec caput uni Nec pes reddatur formae (8 f.), sed turpiter u. s. w., und die übrig gebliebenen Hemistichien 8 f. fingentur species. pictoribus atque poetis zu einem Verse zu verbinden, geht aus von dem richtigen Gefühl, dafs es vom Uebel war, nach einem so ausgeführten Gleichnifs auch in der Anwendung (credite, Pisones, isti tabulae fore librum persimilem) noch einmal in ähnlichen Metaphern (wie pes und caput) auf dasselbe zurückzukommen. Indessen, abgesehen von der gewaltsamen Umstellung der Worte, die zu der Versetzung der Vershälften hinzu

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kommt, sind dieselben auch weiter oben weder nöthig noch angenehm die Erwähnung des Hauptes konnte wegen V. 1 entbehrt werden, und von pes konnte wegen des Fischschwanzes überhaupt nicht wohl die Rede sein. Uebrigens ist auch der Ausdruck an sich schief und unklar: nicht nec

nec durfte stehn, da getadelt werden sollte, dafs Haupt und Fufs nicht zu derselben Gestalt pafsten (non ut pes et caput war allenfalls zu schreiben). Ganz verschieden ist wenn wir sagen, „das Buch hat nicht Hand nicht Fufs". So mögen die Worte wohl einem Interpolator angehören, da sie die vanae species (leere, willkürlich aneinandergereihte Bilder ohne Zusammenhang) doch nur sehr mangelhaft veranschaulichen, und die Fugen der beiden übrigbleibenden Halbverse 8 f. so vortrefflich zusammenpassen.

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Gronovs und Nic. Heinsius' Conjectur zu V. 3 f.: atram

pristim statt atrum piscem habe ich trotz Bentley's Warnung doch nicht widerstehen können, weil atrum auf eine besondere und zwar abschreckende Fischspecies hindeutet, und auch Pseudo-Acrons Erklärung 'hoc est, in marinam beluam, id est in pistricem' gar zu deutlich auf die Scylla hinweist: pulchro pectore virgo pube tenus, postrema immani corpore pistrix Verg. Aen. III 427, und dazu X 211 vom Triton: in pistrim desinit alvos. Jedenfalls ist Spengels Behauptung, dass gerade nur das allgemeine piscis hier geeignet sei, noch willkürlicher als jene Verbesserung.

V. 17 16 Nicht et, sondern aut hat nach Orelli der Sangallensis (Ritter freilich schweigt). Da die lachenden Gefilde, durch welche das Gewässer in Windungen dahin eilt (properantis aquae ambitus), einem anderen Landschaftsgemälde angehören als Hain und Altar der Diana in verschlossener Waldesstille (16), so scheint aut viel passender.

V. 2019. exspes ist zu verstehen von der Hoffnungslosigkeit im Augenblicke des Schiffbruchs, welcher eben von dem Maler zur Rührung mitleidiger Seelen fixirt werden soll: das berstende Schiff, aus dem der Unglückliche in die Wogen hinausschwimmt. Nur so ist dem Anstofs, den Peerlkamp hier ge

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