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Nordd. Bund,

1870.

No. 4182. ungetrübte Dauer sie noch vor weniger als einem halben Jahre zählten, 24. Novbr. durch die Erinnerungen, welche die Eindrücke dieses Krieges in Frankreich hinterlassen werden, nur um so sicherer gefährdet sein wird von dem Augenblicke an, wo Frankreich durch die Erneuerung der eigenen Kraft oder durch Bündnisse mit andern Mächten sich stark genug fühlen wird, den Kampf wieder aufzunehmen. ¶ Die Bedingungen, unter welchen die verbündeten Regierungen zum Frieden bereit sein würden, sind in der Oeffentlichkeit besprochen worden. Sie müssen zu der Grösse der Opfer, welche dieser ohne jeglichen Grund, aber mit der Zustimmung der gesammten Französischen Nation unternommene Krieg unserem Vaterlande auferlegt hat, im Verhältniss stehen; sie müssen vor allen Dingen gegen die Fortsetzung der von allen Machthabern Frankreichs seit Jahrhunderten geübten Eroberungspolitik eine vertheidigungsfähige Grenze Deutschlands dadurch herstellen, dass sie die Ergebnisse der unglücklichen Kriege, welche Deutschland in der Zeit seiner Zerrissenheit nach Frankreichs Willen führen musste, wenigstens theilweise rückgängig machen und unsere Süddeutschen Brüder von dem Drucke der drohenden Stellung befreien, welche Frankreich seinen früheren Eroberungen verdankt. Die verbündeten Regierungen haben das Vertrauen zu dem Norddeutschen Reichstage, dass derselbe ihnen die Mittel, welche zur Erreichung dieses Zieles erforderlich sind, nicht versagen werde. Sie sind gewiss, jetzt, wo es gilt, die erlangten Erfolge zu sichern, bei Ihnen der nämlichen patriotischen Hingebung zu begegnen, welche sie fanden, als es darauf ankam, die heute gewonnenen Erfolge zu erreichen. Es ist ihr lebhafter Wunsch, dass es möglich werde, jene Mittel nicht in vollem Umfange zu verwenden. ¶ Um Ihnen einen vollständigen Ueberblick der politischen Lage zu gewähren, werden Ihnen die Mittheilungen vorgelegt werden, welche dem auswärtigen Amte bezüglich des Pariser Friedensvertrages vom 30. März 1856 neuerdings zugegangen sind und an welche die verbündeten Regierungen den Ausdruck ihrer Hoffnung knüpfen, dass die Wohlthaten des Friedens den Völkern erhalten bleiben werden, welche sich derselben bisher erfreut haben. Die Fortdauer des Krieges hat eine friedliche Arbeit nicht verhindert. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit, welches durch gemeinsame Gefahr und durch gemeinsam erkämpfte Siege belebt ist, das Bewusstsein der Stellung, welche Deutschland zum ersten Male seit Jahrhunderten durch seine Einigkeit errungen hat, die Erkenntniss, dass nur durch Schöpfung dauernder Institutionen der Zukunft Deutschlands das Vermächtniss dieser Zeit der Opfer und der Thaten gesichert werden könne, haben schneller und allgemeiner, als noch vor Kurzem denkbar erschien, das Deutsche Volk und seine Fürsten mit der Ueberzeugung erfüllt, dass es zwischen dem Süden und Norden eines festeren Bandes bedürfe, als der völkerrechtlichen Verträge. Diese unter den Regierungen einhellige Ueberzeugung hat zu Unterhandlungen geführt, als deren erste, auf dem Felde des Krieges erwachsene Frucht ihnen eine, zwischen dem Norddeutschen Bunde, Baden und Hessen vereinbarte, vom Bundesrathe einstimmig angenommene Verfassung eines Deutschen Bundes zur Genehmigung vorgelegt werden wird. Die auf gleichen Grund

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lagen mit Bayern getroffene Verständigung wird ebenfalls Gegenstand Ihrer No. 4182. Berathungen werden, und die Uebereinstimmung der Ansichten, welche mit 24. Novbr. Württemberg über das zu erstrebende Ziel besteht, lässt hoffen, dass eine gleiche Uebereinstimmung über den Weg zum Ziele nicht ausbleiben werde. ་ Sie werden, geehrte Herren, mit diesem Werke eine Thätigkeit würdig abschliessen, wie solche wenigen gesetzgebenden Versammlungen vergönnt gewesen ist. In wenig mehr als drei Jahren haben Sie durch eine lange Reihe wichtiger, in die verschiedensten Verhältnisse des Volkslebens tief eingreifender Gesetze den Ihrer Mitwirkung anvertrauten ersten Ausbau der Bundesverfassung fördern helfen und durch die letzte, vor dem Ablauf Ihrer Amtsdauer Ihnen zugehende Vorlage soll diese Verfassung und sollen die auf derselben beruhenden Gesetze über die Grenze ausgedehnt werden, welche bisher unsere Süddeutschen Brüder von uns schied. Der grosse nationale Gedanke, welcher Sie stets bei Ihren Berathungen leitete, wird durch die letzte Berathung, zu welcher Sie zusammentreten, so Gott will, um einen entscheidenden Schritt seiner vollen Verwirklichung näher geführt werden. ¶ Und so erkläre ich, auf Allerhöchsten Präsidial-Befehl, im Namen der verbündeten Regierungen den Reichstag des Norddeutschen Bundes für eröffnet.

Nach Beendigung der Rede brachte der zeitige Erste Präsident des Reichstages, Appellationsgerichts-Präsident Dr. Simson, ein dreimaliges Hoch auf Se. Majestät den König aus, in welches die Versammlung begeistert einstimmte.

No. 4183.

NORDDEUTSCHER BUND. Entwurf eines Gesetzes, betreffend den ferneren) Geldbedarf für die Kriegführung, dem Reichstag vorgelegt in

der 1. Sitzung vom 24. Novbr. 1870.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preussen etc. verord-No. 1183. Nordd.Bund, nen im Namen des Norddeutschen Bundes, nach erfolgter Zustimmung des 24. Novbr. Bundesrathes und des Reichstages, was folgt:

Der Bundeskanzler wird ermächtigt, zur Bestreitung der durch die Kriegführung entstehenden ausserordentlichen Ausgaben der Militär- und Marineverwaltung über den durch das Gesetz vom 21. Juli 1870 (Bundesgesetzblatt S. 491) festgestellten Betrag von 120 Millionen Thalern hinaus weitere Geldmittel bis zur Höhe von Einhundert Millionen Thaler im Wege des Credits flüssig zu machen und zu diesem Zweck in dem Nominalbetrage, wie er zur Beschaffung von Einhundert Millionen Thalern erforderlich sein wird, eine verzinsliche, nach den Bestimmungen des Gesetzes vom 19. Juni 1868 (Bundesgesetzblatt S. 339) zu verwaltende Anleihe aufzunehmen und Schatzanweisungen auszugeben.

§. 2.

Die Umlaufszeit der Schatzanweisungen kann auf einen län

*) Vergl. No. 4058.

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Nordd Bund, geren Zeitraum als den eines Jahres festgesetzt, auch können denselben nach 24. Novbr. Anordnung des Bundeskanzlers besondere Zinsscheine beigegeben werden. Die zur Ausgabe gelangenden Schuldverschreibungen und Schatzanweisungen, sowie die zugehörigen Zinscoupons können sämmtlich oder theilweise auf ausländische, oder auch nach einem bestimmten Werthverhältniss gleichzeitig auf in- und ausländische Währungen, sowie im Auslande zahlbar gestellt werden. Die Festsetzung des Werthverhältnisses, sowie der näheren Modalitäten für Zahlungen im Auslande bleibt dem Bundeskanzler überlassen. ¶ Im Uebrigen finden auf die Anleihe und auf die Schatzanweisungen die Bestimmungen des angezogenen Gesetzes vom 21. Juli 1870 (Bundesgesetzblatt S. 491) Anwendung.

Urkundlich etc.

Motive.

Indem die verbündeten Regierungen mit einer erneuten Creditforderung zur Deckung der Kriegskosten an den Reichstag herantreten, glauben sie demselben zunächst in Kürze davon Mittheilung machen zu sollen, in welcher Weise der durch das Gesetz vom 21. Juli d. J. bewilligte Credit benutzt worden ist. Die Genehmigung und Veröffentlichung des Gesetzes ¶ erfolgte zu einer Zeit, wo die Mobilmachung der gesammten Bundesarmee bereits angeordnet war. Der erste Ausgabebedarf musste also schon vor der Realisirung des durch jenes Gesetz eröffneten Credits vorschussweise gedeckt werden. Zu diesem Zwecke stellte Preussen der Bundeskasse seinen Staatsschatz von 30,000,000 Thalern in Silber vorschussweise zur Verfügung; auch andere Bundesregierungen leisteten für ihre Contingente bedeutende Vorschüsse. Auf diesem Wege gelang es, für die Leistung der nöthigen Ausgaben prompt die Mittel flüssig zu machen. Indess wies eine Veranschlagung des muthmasslichen Bedarfs darauf hin, dass schon in den ersten Tagen des August weitere erhebliche Summen flüssig werden mussten, wenn nicht der militärischen Action aus Stockungen des Geldzuschusses Schwierigkeiten erwachsen sollten. Es ergab sich daher die Nothwendigkeit, die Massnahmen zur Realisirung des Credits unverzüglich eintreten zu lassen. Die Grösse des Bedarfs und andererseits die unmittelbar nach dem Kriegsausbruche auf dem Capitalmarkte eingetretene Stockung liessen es räthlich erscheinen, für die Aufbringung einer Anleihe den Weg einer allgemeinen Subscription zu wählen. Es wurde daher auf Grund Allerhöchster Präsidial-Verordnung vom 24. Juli d. J. (Bundesgesetzbl. S. 505) durch Bekanntmachung vom 26. desselben Monats eine fünfprocentige Bundesanleihe in dem zur Flüssigmachung von 100 Millionen Thalern nöthigen Nominalbetrage bei etwa 1000 Zeichnungsstellen zur allgemeinen Subscription aufgelegt. Der Subscriptionspreis wurde auf 88 Procent festgesetzt. Mit Rücksicht auf den sehr bald eintretenden Bedarf mussten sowohl für die Zeichnungen als auch für die ersten Einzahlungen nahe Termine festgestellt werden. Für die Zeichnungen wurden der 3. und 4. August bestimmt, die Einzahlungen durch die Subscriptionsbedingungen auf 6 Termine (den 10. August, 1. September, 1. October, 1. No

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vember, 1. und 28. December) vertheilt. Den bis zum 1. September er- Nordd.Bund, folgenden Vollzahlungen wurde in der Stückzinsenberechnung eine gewisse 24. Novbr. Begünstigung gewährt. Die Zeichnungen fielen in eine Zeit, wo Nachrichten über Erfolge der Deutschen Armeen noch nicht vorlagen. Es wurde ein Nominalbetrag von 68,323,300 Thalern gezeichnet, der nach dem angegebenen Subscriptionspreise einen Baarertrag von 60,124,500 Thalern ergiebt. Die grosse Zahl von Zeichnern (50,353) und die erhebliche Anzahl kleiner Zeichnungsbeträge beweist, dass alle Schichten der Bevölkerung sich freudig an dem patriotischen Werke betheiligten. Die unmittelbare finanzielle Bedeutung dieses Ergebnisses wurde noch dadurch erhöht, dass von dem Rechte der Vollzahlung des gezeichneten Betrages und der Vorauszahlung später fälliger Einzahlungsbeträge in den beiden ersten Einzahlungsterminen ein sehr ausgedehnter Gebrauch gemacht wurde. So kam es, dass, während die in den beiden ersten Einzahlungsterminen fälligen Raten im Ganzen 2012 Millionen Thaler betrugen, bis einschliesslich den 1. September im Ganzen rot. 50,296,800 Thaler Capitalzahlungen eingingen, darunter 44,881,232 Thaler als Vollzahlungen auf 51,001,400 Thaler Schuldverschreibungen. Am 1. October und 1. November haben die Capitaleinzahlungen zusammen den Betrag von ca. 7,700,000 Thalern erreicht, so dass bis jetzt im Ganzen ca. 58 Millionen Thaler an Capital eingezahlt sind und in den beiden letzten Terminen (am 1. und 28. December) noch etwas über zwei Millionen eingehen werden. ¶ Zur Flüssigmachung des Restes des Credits gelangten 40 Millionen Thaler Bundesschatzanweisungen zur Ausfertigung, und zwar: Um die Ausfertigung der letzteren beiden Serien Schatzanweisungen zu ermöglichen, wurde durch Allerhöchste Präsidialverordnung vom 2. October d. J. (B.-G.-Bl. S. 545) der durch eine fundirte Anleihe zu deckende Betrag von 100 auf 80 Millionen Thaler herabgesetzt. Der zur Flüssigmachung des durch die Subscription nicht gedeckten Restes dieser 80 Millionen Thaler (19,875,496 Thlr.) erforderliche Betrag von Bundesschuldverschreibungen ist zu einem wesentlich günstigeren Course an ein Consortium begeben und der darauf einzuzahlende Geldbetrag bis auf einen geringen Restbetrag bereits eingegangen. Die 20 Millionen ¶ Thaler Schatzanweisungen der Serie III. und IV. sind vollständig und zwar zu günstigen Bedingungen begeben. Die der Serie VII. und VIII. sind zum Theil ausgegeben, zum Theil steht ihre Realisation in der nächsten Zeit bevor. Bei der Realisirung der Schatzanweisungen ergab sich die Erleichterung, dass in den Fällen, wo eine rasche Bereitstellung grosser Summen erforderlich wurde, eine sofortige Beleihung derselben durch die hiesige Darlehnskasse eintreten konnte. Auf diesem Wege wurde nicht nur eine schleunige Flüssigmachung der nöthigen Mittel erreicht, sondern zugleich im Sinne des §. 1 des Darlehnskassen-Gesetzes vom 21. Juli d. J. (Bundes-Gesetzbl. S. 499) dem Geldmarkt die wesentliche Erleichterung geschaffen, dass dem Verkehr die Circulationsmittel zugeführt wurden, welche zur Ausfüllung der durch den ansehnlichen Geldabfluss nach Frankreich entstandenen Lücke nothwendig waren.

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Sonach ist der durch das Gesetz vom 21. Juli d. J.

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Nordd.Bund, gewährte Credit von 120 Millionen Thalern durch die getroffenen Massnah24. Novbr. men in seinem vollen Betrage benutzt, und zwar erfolgte die Beschaffung von 80 Millionen Thalern durch eine fundirte Anleihe und von 40 Millionen Thalern durch Ausgabe von verzinslichen Schatzanweisungen. ¶ Die durch den Krieg veranlassten Ausgaben der Militärverwaltung haben bis zum 15. November d. J. im Ganzen 119,104,000 Thaler betragen, denen ca. 2 Millionen Thlr. Kriegsausgaben der Marine verwaltung hinzutreten. Der bewilligte Credit ist sonach bereits vollständig erschöpft. Durch die geschilderten Finanzoperationen ist es bisher möglich gewesen, den Geldbedarf für die Kriegführung jederzeit ungesäumt zu befriedigen. Die verbündeten Regierungen glauben sich mit dem Reichstage in dem Wunsche zu begegnen, dass der Krieg auch ferner mit allem Nachdruck durchgeführt werde. Sie glauben deshalb eine weitere Creditbewilligung von 100 Millionen Thalern durch den vorgelegten Gesetzentwurf vorschlagen zu sollen. In welcher Höhe von diesem Credit Gebrauch zu machen ist, wird von dem weiteren Gange der Kriegsereignisse abhängen. In seinen Einzelbestimmungen schliesst sich der Entwurf der Hauptsache nach dem Creditgesetze vom 21. Juli d. J. an. Da indess möglicherweise Schatzanweisungen mit längerer als einjähriger Umlaufszeit und mit besonderen Zinsscheinen zu günstigeren Bedingungen sich begeben lassen werden, und ferner, um im geeigneten Falle die Möglichkeit nicht verschränkt zu sehen, den Bundespapieren auch eine für den ausländischen Markt geeignete Form zu geben, sind in den §. 2 des Entwurfs die entsprechenden Ermächtigungen aufgenommen worden.

In der 2. Sitzung des Reichstags vom 26. November wird zunächst folgender Antrag: ,,In Erwägung, dass der am 19. Juli von Louis Bonaparte, damals Kaiser der Franzosen, erklärte Krieg durch die Gefangennahme Louis Bonaparte's und die Niederwerfung des Französischen Kaiserreiches thatsächlich sein Ende erreicht hat;

In Erwägung, dass nach den eigenen Erklärungen des Königs von Preussen in der Thronrede am 17. Juli und der Proclamation an das Französische Volk vom 11. August der Krieg Deutscherseits nur ein Vertheidigungskrieg und kein Krieg gegen das Französische Volk sei;

In Erwägung, dass der Krieg, welcher trotzdem seit dem 4. September geführt wird, im schroffsten Widerspruch mit dem Königlichen Wort, nicht ein Krieg gegen die Kaiserliche Regierung und die Kaiserliche Armee, welche nicht mehr existiren. sondern ein Krieg gegen das Französische Volk ist, nicht ein Vertheidigungskrieg, sondern ein Eroberungskrieg, nicht ein Krieg für die Unabhängigkeit Deutschlands, sondern ein Krieg für die Unterdrückung der edlen Französischen Nation, die nach den Worten der Thronrede vom 17. Juli berufen ist, die „Segnungen christlicher Gesittung und steigenden Wohlstandes gleichmässig zu geniessen und zu begehren und zu einem heilsameren Wettkampfe, als zu dem blutigen der Waffen",

beschliesst der Reichstag, die verlangte Geldbewilligung für die Kriegführung abzulehnen, und fordert den Bundeskanzler auf, dahin zu wirken,

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