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Verschlufs zu erzielen, so ist es doch unmöglich, den Parallelismus der abgeschliffenen Cylinderränder so genau herzustellen, dass nicht die eingeschlossene Flüssigkeit ein Prisma von mehr oder weniger spitzen Winkeln bildet. Die Unbequemlichkeit, welche hieraus für die Anwendung im optischen Apparat entspringt, lässt sich sehr leicht beseitigen, wenn man das Hauptlinsensystem soweit abblendet, dafs nur Lichtstrahlen durch die Flüssigkeit und nicht nebenbei durch die Luft gehen, und wenn dann erst die empfindliche Einstellung am Analysator corrigirt wird. Selbst bei genau paralleler Begrenzung der Flüssigkeitsschicht wäre übrigens eine solche Correction nöthig, da ja durch eine eingeschaltete, dicke Platte eines stärker als luftbrechenden Körpers die Bildebene in ähnlicher Weise verändert wird, wie es beim Mikroskop durch Anwendung der Deckgläser geschieht.

Der obige Versuch wurde nun folgendermafsen ausgeführt. Nachdem der Trog a auf das Tischchen nahe vor der Mitte des Hauptlinsensystems aufgestellt und zum Theil mit destillirtem Wasser gefüllt worden war, wurde ein ebenfalls mit destillirtem Wasser gefüllter Heber d (Fig. 8 Taf I) mit dem einen Schenkel in a, mit dem andern in ein nebenstehendes Gefäfs e getaucht. War der Heber selbstständig unterstützt, so konnte man durch Hebung des Gefäfses e ein Ueberfliefsen der Flüssigkeiten nach a bewirken. Es fand sich nun, dafs in a stets Bewegungserscheinungen gesehen wurden, wenn auch in beiden Gefäfsen nur Wasser war. Selbst dann als die Dimensionen von e so gewählt wurden, dafs die Verdunstungsfläche zu Anfang des Versuchs gleich der bei a war, zeigte sich der ausfliefsende Strahl vor der Heberöffnung, also Wasser in Wasser, wenn nur die Bewegung nicht zu langsam war. Man könnte wohl eine Erklärung in einer Erwärmung der Flüssigkeit durch Reibung im Heber finden, aber jedenfalls zeigt der Versuch, auf welche Schwierigkeiten eine absolute Bestimmung der Empfindlichkeit dieses sensiblen Beobachtungsverfahrens stöfst.

Dafs die durch Verdunstung bewirkte Abkühlung leicht

in der Flüssigkeit gesehen wird, ist selbstredend. Man braucht nur den mit Wasser gefüllten Trog Fig. 7 von der Seite her anzufachen, so dafs an der Flüssigkeitsoberfläche Luftbewegung stattfindet. Sofort sieht man, wie sich im Troge dicke Massen von der Oberfläche aus zu Boden senken. Bei längerer Dauer stellt sich ein regelmäfsiger Wirbel her, an den Wänden abwärts, in der Mitte aufwärts gerichtet. Es genügt übrigens schon, die Flüssigkeitsoberfläche durch Umrühren mit einem Glasstabe zu stören, um die erkalteten Wassertheile in der Flüssigkeit zu sehen. Folgender Versuch zeigt, wie gering die sichtbare Temperaturdifferenz hierbei zu seyn braucht. Stellt man einen dünnen Glasstab in den Trog und wartet, bis das Aussehen des Wassers ganz homogen geworden ist, und zieht man alsdann schnell den Glasstab senkrecht heraus, so wird gewöhnlich ein Wassertropfen, gleich nachdem das Ende des Stabes die Flüssigkeit verlassen hat, von diesem abfliefsen und zurückfallen. Man sieht nun diesen Tropfen mitten in der Flüssigkeit fast bis auf den Boden mit abnehmender Geschwindigkeit niedersinken, bis er sich zuletzt gleichsam wie ein Wölkchen auflöst.

Läfst man einen Tropfen Alkohol auf das Wasser fallen so sieht man im ersten Augenblicke an der Oberfläche eine heftige Bewegung. Es schlingen sich fadenartige Streifen unregelmässig durcheinander. Diese fliefsen allmählich zu einer deutlich unterscheidbaren Schicht zusammen, welche langsam an Dicke zu, an Deutlichkeit der Begrenzung abnimmt, um erst nach vielen Stunden zu verschwinden, wenn die Flüssigkeit nicht erschüttert wird.

Um zum Schlufs ein Bild von dem Aussehen einer derartigen Erscheinung sammt den begleitenden Beugungsphänomenen zu geben, stellt Fig. 1 Taf. II möglichst getreu das Ansehen des Gesichtsfeldes dar, wenn man in den Glastrog auf Wasser eine nicht zu dicke Schicht Aether giefst. Die Figur ist ohne Erläuterung verständlich. Man sieht in der Luft über und um den Trog die diffundirenden Aetherdämpfe, im Aether selbst die lebhafteste Bewegung durch Verdun

stungskälte, indem sich von der Oberfläche stets tropfenartige Massen hernieder ziehen, um sich über dem Wasser anzusammeln. Im Wasser selbst ist eine lebhafte Schlierenbildung von anderem Ansehen zu bemerken, welche sowohl durch die mitgetheilte Temperaturerniedrigung, als die Diffusion des Aethers entsteht. Die hellen Ränder des Glasapparates sind Folgen der Beugung. Der durch die Figur geführte Pfeil deutet die Richtung an, in welcher bei der Beobachtung die wirksame Kante des Analysatordiaphragmas vorgeschoben wurde, natürlich vom Beobachter ausgerechnet und mit Rücksicht auf die Umkehr des Bildes. Ich bemerke ausdrücklich, dafs in allen folgenden Figuren der Pfeil dieselbe Bedeutung haben soll.

Im Anschlufs behalte ich mir zunächst eine Mittheilung über die am elektrischen Funken beobachteten Phäno

mene vor.

III. Beiträge zur chemischen Statik;
von Dr. Leopold Pfaundler.

Die Theorie, welche ich in dieser Abhandlung entwickeln

will, scheint mir geeignet, eine Erklärung für einige chemische Thatsachen zu liefern, für welche bisher keine genügende Hypothese aufgefunden werden konnte.

Zu diesen Thatsachen gehören die Erscheinungen der Dissociation, der sogen. Massenwirkung, der reciproken und der prädisponirenden Affinität, der Gleichgewichtszustände zwischen entgegengesetzten Reactionen und einige andere verwandte Erscheinungen.

Ich wende mich zuerst zur

I. Theorie des Dissociationserscheinungen.

Die Beobachtung gewisser Ausnahmen vom Dampfdichtengesetze hat zunächst die Hypothese veranlafst, dafs jene

Verbindungen, welche eine solche Ausnahme zeigen, im Dampfzustande zerfallen. Die zahlreichen Versuche von Sainte-Claire Deville, Pebal, Würtz, Wanklyn und Robinson und Than haben jene von Hermann Kopp, Canizzaro und Kekulé vorgeschlagene Hypothese bestätigt. Sie bewiesen aber auch zugleich, dass dieses Zerfallen oft kein vollständiges ist, vielmehr innerhalb weiter Temperaturgrenzungen nun theilweise stattfindet, so zwar, dass innerhalb dieses Intervalles jedem Temperaturgrade ein anderer Grad der Zersetzung entspricht.

Die Mehrzahl der Chemiker erblickt in dem Statthaben dieser partiellen Zersetzung einen ganz genügenden Erklärungsgrund für die Unregelmässigkeiten in dem Dampfdichten. Diese theilweise Zersetzung selbst ist aber damit noch nicht erklärt.

Nach meiner Ansicht kann man sich über den Zustand einer Verbindung AB, deren Dampf bereits begonnen hat, sich zu zerlegen, folgende zwei wesentlich verschiedene Vorstellungen bilden. Entweder erfahren alle Moleküle AB eine gleiche Veränderung (Lockerung ihres Zusammenhangs, Vergröfserung der Distanz ihrer Bestandtheile) und gehen dadurch in einen Zustand über, der zwischen dem ursprünglichen und dem des gänzlichen Zerfalles liegt; oder es trifft die Veränderung die einzelnen Moleküle ungleich, indem z. B. ein Theil derselben ganz zerfällt, während die übrigen unzersetzt bleiben.

Die erstere Annahme scheint auf den ersten Blick mehr Wahrscheinlichkeit zu haben, als die zweite, allein sie ist unvereinbar mit den Ergebnissen der Versuche von Deville, Pebal und Würtz. Wenn es auch möglich wäre, eine Vergrösserung des Dampfvolumens aus einer erfolgten Lokkerung des Zusammenhanges zwischen den Theilen A und B zu erklären, so wäre doch nicht einzusehen, wie nach erfolgter Abkühlung etwas Anderes als eine vollständige Wiederherstellung der ursprünglichen Verbindung erfolgen könnte. Ebenso wenig wäre in diesem Falle eine Spaltung durch Diffusion begreiflich. Endlich müfste auch bei die

sem Vorgange der letzte Uebergang aus dem Zustande der durch die steigende Temperatur auf's Höchste gesteigerten Lockerung in den Zustand der vollständigen Trennung ein sprungweiser seyn, während die Erfahrung einen continuirlichen Uebergang der Dampfdichten erkennen läfst.

Die zweite Annahme erklärt vollständig die beobachteten Thatsachen, aber sie enthält Etwas, was sich schwer vorstellen lässt. Man kann sich nicht recht denken, warum bei derselben Temperatur, bei der die eine Anzahl der einander offenbar gleichen Moleküle zerfallen mufs, die übrige Menge derselben unzerlegt bleiben könne. Wenn es die Temperatur ist, in Folge welcher sie zerfallen, diese aber für alle dieselbe ist, so müssen, da gleiche Ursachen gleiche Wirkungen haben, alle dieselbe Veränderung erleiden.

Diese Schwierigkeit zu beseitigen, will ich nun versuchen. Es wird sich zeigen, dass es nicht an der Richtigkeit des Schlufssatzes, sondern an der der Prämisse fehlt.

Deville hat bereits die Analogie hervorgehoben'), welche zwischen der partiellen Zersetzung von Verbindungen unterhalb der eigentlichen Zersetzungstemperatur und der Verdampfung der Flüssigkeiten unterhalb der Siedetemperatur vorhanden ist. Dieser nämliche Gedanke war mir beim Lesen der Abhandlung von Clausius: » Ueber die Art der Bewegung, die wir Wärme nennen «2) gekommen und hatte mich veranlafst, zu untersuchen, ob nicht in Folge eben dieser Aehnlichkeit der Erscheinungen auch eine ähnliche Hypothese, wie jene, mit welcher Clausius die Verdampfung erklärt hat, geeignet wäre, die Dissociation zu erklären. Ich fand nun seine Hypothese auf eine gewisse Klasse von Dissociationsvorgängen ohne Weiteres anwendbar. Für die Dissociation der Dämpfe hingegen lässt sich dieselbe zwar unmittelbar nicht verwenden; es ist aber leicht, mit Benutzung desselben Grundgedankens eine wei

1) Ich entnehme dies dem Auszuge seiner Abhandlung »Ueber Dissociation in homogenen Flammen" im chem. Centralblatt 1865 S. 662, da mir die Originalabhandlung leider nicht zu Gebote steht.

2) Diese Annalen Bd. 100, S. 353.

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