»Alle Füsse wankten des quellenströmenden Ida »Da erschrak in der Tiefe der Schatten Beherrs von oben >>Poseidon, der Gestadeerschütterer, die Erde zerrisse, Dass nicht erscheine den Menschen, dass nicht den Göttern erscheine >> Seine düstre Behausung, für die auch Olympiern grauet.» Eine grosse Erhabenheit hat ferner die Stelle in der Aeneide lib. II. 6o8. seq., wo Venus dem Aeneas die Götter sichtbar macht, welche Troja verwüsten: Hic, ubi disjectas moles, avulsaque saxis Saxa vides, mistoque undantem pulvere fumum: Prima tenet, sociumque furens a navibus agmen Jam summas arces Tritonia (respice) Pallas In der Messiade finden wir Ges. V. 459. eine Stelle voll erhabener Ideen, worin die Scene in den Welten bei dem Leiden des Messias geschildert wird. Gott hatte zu den Bewohnern des Himmels gesagt: Wenn wird tönen um euch der Pole Donnern, mit ihnen Dann der Gesang der Welten, in Stimmen der Meere ver✓ wandelt, Brausend vorübergehn, wenn aus ihren Kreisen die Sterne, kommen Schauer von Gott, und eurem Haupte die goldenen Kronen ༄ In allen diesen drei Stellen herrscht ein hoher Grad von Erhabenheit, und es ist bloss zu untersuchen, in welcher am meisten. Um dies bestimmen zu können, wollen wir die einzelnen erhabenen Begriffe darin aufsuchen. Der Grieche wählt alles Grosse und Majestätische, was auf der Erde und im Olymp ist. Der Vater der Götter und Menschen sßgovinos (donnerte), dies ist das stärkste und erhabenste Geräusch, das wir kennen. Poseidon hingegen zeigt die grösste Kraft, die auf der Erde möglich ist: ετίναξε γαιαν angeσin (er erschütterte die unendliche Erde). Die Würkungen hiervon sind ebenfalls gross; es beben παντες πόδες και κορυφαι (alle Wurzeln und Gipfel) des Ida, der Stadt Troja, und die Schiffe der Griechen. Selbst bis zur Unterwelt steigt die Würkung hinab: εδδεισεν αναξ ενέρων (der König der Todten erschrack). Wie gross muss das Geräusch der Schlacht seyn, wenn es bis in die Tiefen der Erde dringt! Die Idee wird dadurch noch vergrössert, dass Pluto firchtet, μη γαιαν αναρρήξειε Ποσειδάων (Neptun mögte die Erde zerreissen), und den Sterblichen und Unsterblichen κια Φανείη σμερδαλεα (die schreckliche Unterwelt sichtbar werden). Dieser letzte Gedanke hat ausser der Erhabenheit auch noch ausserordentlich viel mahlerisches, und giebt der Scene den stärksten Nachdruck. Welcher Spalt in der Erde müsste es seyn, wenn er bis zum Schattenreich sich erstreckte, wenn die tiefverborgene Unterwelt plötzlich mit allen ihren Geheimnissen im geöfneten Schooss der Erde erschiene, und Plutons ganzes Reich entschleiert daläge! Welch ein äusserst lebhaftes Spiel gewährt dieser Gedanke der Einbildungskraft! Virgil hat ebenfalls nur Grosses und Erhabenes. Neptun reisst Felsen am Felsen los, erschüttert muros et fundamenta urbis (die Mauern und Grundfeste der Stadt), und reisst sie aus ihrem Sitze. Ebenfalls ein erhabenes Schauspiel für die Einbildungskraft: eine ganze Stadt gleichsam aus ihren Wurzeln herausgehoben zu sehen! Juno wütet an den Thoren, und Pallas sitzt auf der Burg nimbo effulgens (in glänzendem Schimmer), mit der schrecklichen Aegide. Selbst Jupiter macht den Griechen Muth, et suscitat Deus in Dardana arma (und feuert die Götter gegen die Troer an). Kurz die erhabensten Wesen des Alterthums, die Götter, würken hier zur Vernichtung einer der berühmtesten Städte in der Vorwelt. Im Messias finden wir folgende Ideen: donnernde Pole, Stimmen der Meere statt der Sphären gesänge, Erzittern der Sterne in dem unendlichen Raum, Sonnenmeilen, Schauer von Gott, Entfallen der goldenen Kronen, Hinsinken goldener Stühle u. s. W. Wenn wir diese Begriffe mit jenen vergleichen, so stossen wir zuerst auf Beovrnos, und donnernde Pole. Das erste kömmt aus den Wolken, das letzte von der heftigen Bewegung ganzer Welten um ihre Endpunkte. Der Begrif bei dem letzten ist neuer und grösser, folglich auch der Ausdruck erhabener. Avulsa saxis saxa ist ebenfalls nicht so erhaben, als Donnern der Pole, denn die Masse der hier sich bewegenden Körper ist unendlich verschieden; überdies kann der Donner einen ganzen Felsen auf einmal zerschmettern. Der zweite erhabene Begrif ist ετιναξε γαιαν ansigeσinv, fundamenta quatit urbis, Erzittern der Sterne durch die Unendlichkeit. Der Grieche bezeichnet durch seine Worte die Erschütterung der Erde, der Römer einer Stadt, der Deutsche einiger tausend Sterne. Man fühlt hier ohne weitere Zergliederung wieder, dass der Deutsche am erhabensten ist, weil er den grössten und erhabensten Begrif bezeichnet. Selbst das Wort ansigσoç ist bei den Griechen nicht so umfassend, als die Unendlichkeit bei den Deutschen. Dass die Erde ein Ende hat, wissen wir zu gut; wir glauben also nicht an das Wort ansigstiny. Aber an einen unendlichen Raum, απειρεσίην. worin die Sterne schweben, glauben wir, und verbinden philosophische Wahrheit mit dem Begrif Kurz, wer je über die Grösse der Welt, oder über den Zustand der alten und neuern Astronomie nachgedacht hat, der wird im ersten Augenblick fühlen, dass es mit der homerischen und klopstokschen Unendlichkeit ein ganz anderes Ding sey. Sehen wir auf den Raum, den die Begriffe umfassen, so hat der Grieche in seiner Erschütterung ορέων κάρηνα, παντες πόδες ίδης και κορυφαι. Τρώων πολις, νηες Αχαίων, οικια σμερδαλια; der Römer hat eine ganze Stadt zum Schauplatz; der Deutsche zweitausend Sonnenmeilen. Dieser letzte Wirkungskreis lässt mit den ersten sich gar nicht vergleichen. Eine Sonnenmeile ist die Entfernung von einem Sonnensysteme zum andern (Ges. V. 147). Von einem solchen Raum haben weder Griechen noch Römer einen Begrif, um so weniger also von tausend solchen Räumen. Schauer von Gott, die über Seraphim kommen, sind erhabener, als das Erschrecken Pluto's bei einem Erdbeben; goldene Kronen, die vom Haupte sinken, ist ein schöneres Bild, als Zerspalten der Erde u. s. w. Wir sehen also, dass die Sprache Klopstoks auch in Stellen von erhabenen Gedanken vorzüglicher sey; und dies ist nicht so zu bewundern, als bei gewöhnlichen Gedanken. Bei erhabenen Begriffen bieten sich erhabene Ausdrücke von selbst dar, |