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spruch treten, denn bei den Veränderungen und der Constanz physischer und realer Grössen, haben wir es stets nur mit endlichen Quantitäten zu thun und nur für diese hat das oben von Helmholtz in seiner »allgemeinsten Forme ausgesprochene Princip einen Sinn, im entgegengesetzten Falle drückt es aber einen Widersinn aus.

Da Newton sein Gesetz nur aus der Wechselwirkung von Körpern in direct mess barem Abstande empirisch abgeleitet hat, und daher ganz folgerichtig auch nur auf Körper in direct messbaren Abständen angewandt hat, so konnte der oben nachgewiesene physikalische Widerspruch seines Gesetzes nicht zu Tage treten und verlor auch in der That practisch jede Bedeutung.

Anders verhält es sich jedoch, wenn man das Newton'sche Gesetz auf die Bewegungen solcher Massen anwenden will, welche man nicht direct wahrnimmt, und deren Entfernungen daher auch nicht direct messbar sind. Dann ist es offenbar nothwendig, dass jene oben erörterte physikalische Bedingung (nämlich dass die durch Wechselwirkung zweier Massenelemente in Form von lebendiger Kraft erzeugte Arbeitsgrösse nur eine endliche und von der Quantität der wirkenden Massen abhängige sein soll) auch analytisch in den Ausdruck jenes Potentiales von Newton mit aufgenommen werde. Man überzeugt sich nun leicht, dass diese Forderung beim Weber'schen Potentiale in einfachster Weise erfüllt ist. Denn sobald die relative Geschwindigkeit v, welche sich die beiden Massen m und m' durch ihre Wechselwirkung ertheilen, den Werth c erreicht hat, welchen Weber aus elektrodynamischen Versuchen zu 59320 geograph. Meilen bestimmt hat, wird der Werth

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d. h. von nun an sind die beiden Massen nicht mehr im Stande, sich durch gegenseitige Einwirkung aufeinander eine grössere Beschleunigung zu ertheilen, so dass hierdurch die von ihnen überhaupt erzeugbare Arbeitsgrösse eine endliche und nicht überschreitbare wird. Das Weber'sche Gesetz drückt daher nur an alytisch diejenige Bedingung aus, welche jedes Kraftgesetz erfüllen muss, wenn es physikalisch nicht in Widerspruch mit dem von Helmholtz formulirten Ausdruck des Principes von der Erhaltung der Kraft treten soll.

Wenn man diese einfachen Betrachtungen erwägt, so macht es in der That einen merkwürdigen Eindruck, dass das Weber'sche Gesetz gerade von diesem allgemeinen Principe aus hat Anfechtungen erleiden müssen, und zwar gerade wieder von denjenigen Männern, welchen wir sehr fruchtbare Anwendungen jenes Principes in der Physik zu verdanken haben.

Helmholtz hatte nämlich in seiner oben erwähnten Abhandlung den Irrthum begangen, die Gültigkeit seines Principes wesentlich an die Bedingung zu knüpfen, dass die Intensität der Kräfte, welche dem Gesetze von der Erhaltung der Kraft genügen sollen, »nur von der Entfernung der auf einander wirkenden Puncte abhängt.« Wie man aus dem obigen Potentiale des Weber'schen Gesetzes sofort sieht, ist diese Bedingung bei diesem Gesetze nicht erfüllt. Dass aber dessen ungeachtet durch das Weber'sche Gesetz nicht »Zusammenstellungen solcher Körper möglich sein würden, in denen entweder in das Unendliche Kraft verloren geht, oder gewonnen wird « geht deutlich aus dem Umstande hervor, dass Weber bereits ein Jahr nach dem Erscheinen der Helmholtz'schen Abhandlung, bei Gelegenheit eines Auszuges seiner früheren Arbeit in Poggendorff's Annalen Bd. 73. p. 229 darauf aufmerksam gmacht hat,

»dass das Potential der Masse & in Beziehung auf den Ort der Masse &'

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sei; denn die partiellen Differentialquotienten dieses Ausdruckes nach den drei Coordinaten x, y, z geben die Componenten der nach den Richtungen der drei Coordinatenaxen zerlegten beschleunigenden Kraft.«1) Bisher haben alle Mathematiker und Physiker die Existenz eines solchen Potentiales als Beweis dafür betrachtet, dass ein Kraftgesetz dem Princip von der Erhaltung der Energie genüge. Dies beweist u. A. der letzte Aufsatz von Clausius über sein neues elektrodynamisches Grundgesetz.2) Hier bemerkt nämlich Clausius zum Beweise, dass sein neues Gesetz dem erwähnten Principe genüge, ausdrücklich:

>>>Die durch diese Gleichungen bestimmte auf das Theil

1) In der obigen Formel ist zur Abkürzung [R] für die erforderliche Function von R gesetzt.

2) Pogg. Ann. Bd. 157. p. 493.

chen e wirkende Kraft und die ihr entsprechende auf das Theilchen e' wirkende Kraft genügen schon für sich allein dem Princip von der Erhaltung der Energie. Die während eines Zeitelementes von ihnen gethane Arbeit wird nämlich durch das folgende vollständige Differential dargestellt:

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Dieser Ausdruck, in welchem v und v' die absoluten Geschwindigkeiten der bewegten Theilchen e und e' darstellen und & den Winkel, welchen die Richtungen dieser Geschwindigkeiten mit einander machen, verwandelt sich für die relative Bewegung, wo eo unde ist, in den folgenden:

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Wie man sieht, ist dieser Ausdruck identisch mit dem Weber'schen

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Ebenso erklärte im Jahre 1873 Hr. Maxwell in seinem mehrfach citirten Werke II. p. 432 ausdrücklich:

» Weber's law is also consistent with the principle of the conservation of energy in so far that a potential exists, and this is all that is required for the application of the principle by Helmholtz and Thomson.<

Hr. Helmholtz bat nun zwar selber bald nach dem Erscheinen meines Buches »>über die Natur der Kometen in einer Gesammtsitzung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin seinen 25 Jahre früher begangenen Irrthum verbessert, indem er wörtlich bemerkt :

»Dagegen diesen noch complicirteren Fall, welchen das Weber'sche Gesetz aufstellt, wo die Kräfte von den Coordinaten und von den ersten und zweiten Differentialquotienten derselben nach der Zeit abhängen, hatte ich damals nicht berücksichtigt, und dieser Fall ist mit einer etwas erweiterten Form des Gesetzes von der Erhaltung der Energie allerdings vereinbar. «1)

Leider ist jedoch diese Selbst-Berichtigung von Herrn Helmholtz zu spät.gekommen, um alle diejenigen Folgen zu ver

4) Monatsber. d. K. Akad. d. W. zu Berlin. April 1872. p. 250.

hüten, welche aus jenem Irrthume während seiner 25jährigen ungehinderten Verbreitung entsprungen sind.

So bezeichnet z. B. Herr Tait in seinem oben citirten Werke p. 57 das Weber'sche Gesetz als die beste aller bisher zur Erklärung der elektrischen Phänomene aufgestellten Hypothesen (the best known complete hypothesis that of Weber«). Indessen sei diese Hypothese unzulässig, weil sie Kräfte zwischen den sich bewegenden Theilchen voraussetze, die nicht, wie Hr. Helmholtz 1847 verlangt hat, »nur von der Entfernung der auf einander wirkenden Puncte abhängen.« Hr. Tait citirt nämlich a. a. O. die Helmholtz'sche Schrift mit folgenden Worten:

>>In an admirable tract by Helmholtz 1) (who must be classed as one of the most successful of the early promoters of the science of energy on legitimate principles), the whole subject is based upon Newton's principle, with one or other of the following postulates, from either of which the other is shown to follow.

(a) Matter consists of ultimate particles which exert upon each other forces whose directions are those of the lines joining each pair of particles, and whose magnitudes depend solely on the distances between the particles.

(b) The Perpetual Motion is impossible.«

Wie man sieht, betrachtet hier Herr Tait auch die »beharrliche Bewegung« der Körper und ihrer Elemente als einen Widerspruch gegen das Princip von der Erhaltung der Kraft, obschon eine solche »perpetual Motion « jenem Principe nicht nur nicht widerspricht, sondern vielmehr nach dem bekannten Beharrungsgesetze Galilei's eine Prämisse für die Ableitung jenes Principes ist.

Dieser Irrthum des Herrn Tait, der für ihn natürlich auch die Annahme perpetuirlicher Molecularströme unmöglich macht, entspringt einfach daher, dass Herr Helmholtz in seiner Schrift auch das »perpetuum mobile«, »welches nicht nur sich selbst in Bewegung erhielte, sondern auch noch im Stande wäre, nach aussen Kraft abzugeben«, als einen Widerspruch mit dem Principe von der Erhaltung der Energie hingestellt hat. Indem Hr. Tait diese ausdrückliche Begriffsbestimmung eines perpetuum mobile in der Helmholtz'schen Schrift gänzlich übersieht und daher die ihm unbekannte lateinische Bezeichnung durch »perpetual mo

4) Ueber die Erhaltung der Kraft. Berlin 1847. Translated in Taylor's Scientific Memoirs. 1853.

tion übersetzt, gelangt er zu demjenigen Argumente, welches er einzig und allein gegen das Weber'sche Gesetz mit Bezug auf die obigen Sätze der Helmholtz'schen Schrift anzuführen weiss. Die Worte, in denen diese Schlussreihe des Herrn Tait enthalten ist, lauten (p. 57) wie folgt:

>>the best known complete hypothesis (that of Weber) on which the mutual actions of electric currents have yet been explained, requires the admission of mutual forces between moving quantities of electricity, which are not consistent with (a), and from which therefore the perpetual motion might be obtained.«<

Auf Grund dieser Irrthümer, deren Quelle, wie gezeigt, in der von Helmholtz im Jahre 1847 publicirten Schrift »über die Erhaltung der Kraft« liegt, hielten sich nun Herr Tait und Sir William Thomson in ihrem gemeinschaftlich herausgegebenen und von Herrn Helmholtz in's Deutsche übersetzten »>Lehrbuch der theoretischen Physik«, für berechtigt, das Weber'sche Gesetz als ein dem >> Principe von der Erhaltung der Energie« widersprechendes Gesetz zu bezeichnen, welches in die Kategorie »zwar gefährlicher aber interessanter und oft sehr eleganter Speculationen<«< gehöre.

Da diese Behauptung von jenen Physikern indessen nicht im Bereiche der nur für ihre Fachgenossen bestimmten Literatur ausgesprochen worden ist, wo dergleichen Irrthümer sich ohne irgend welche Polemik geräuschlos von selbst richten, sondern in einem Lehrbuche für Lernende und angehende Physiker, so hielt ich mich im Interesse dieser heranwachsenden Generation von Naturforschern für verpflichtet, diese Irrthümer nachdrücklich zu berichtigen.

Herr Helmholtz versucht die englischen Physiker gegen meine Bemerkungen in der Vorrede zum 2. Theil jener Uebersetzung (1874) zu vertheidigen, indem er bemerkt: (p. VIII)

>> Unter den Gründen, welche Herr W. Thomson für die Unzulässigkeit der Weber'schen Hypothese anführt, ist auch der, dass sie dem Gesetz von der Erhaltung der Kraft widerspreche. Dieselbe Behauptung war auch ich genöthigt, etwas später in einer im Jahre 1870 veröffentlichten Arbeit aufzustellen. «<

Diese »>Behauptung von 1870 ist jedoch durch die bereits oben erwähnte spätere Erklärung Maxwell's von 1873 widerlegt und ein Gleiches gilt von einer noch späteren Behauptung, zu welcher Herr Helmholtz dadurch gelangt, dass er das Product

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