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Einwände für nichtig, und giebt gleichzeitig ziemlich deutlich zu verstehen, dass beide Herren ebenso wie Herr Bertrand in Paris, bei grössrer Gewandtheit in der Mathematik, sich eigentlich selber durch »>eine methodische Durchführung des Beweises mit Beseitigung der früheren beschränkenden Annahmen « 1) aus seinem Potentialgesetze jene Folgerungen hätten ableiten können. Denn, sagt Hr. Helmholtz, »die mathematischen Methoden dafür waren durch die früheren Arbeiten gegeben « und es wäre das, was dem vollständigen Beweise des Potentialgesetzes noch fehlte, » jetzt verhältnissmässig leicht zu ergänzen« gewesen. Hr. Helmholtz glaubt sich daher auch dem Leserkreise eines so hoch stehenden mathematischen Journales gegenüber zu einer besonderen Entschuldigung verpflichtet, dass er überhaupt für eine solche Arbeit einen Platz in diesem Journale in Anspruch nehme, indem er wörtlich (S. 276 a. a. O.) bemerkt:

>> Die mathematischen Methoden dafür waren durch die früheren Arbeiten gegeben, und ich würde kaum gewagt haben, für eine solche Arbeit den Platz in diesem Journale in Anspruch zu nehmen, wenn nicht die Schwierigkeiten, auf welche die Herren J. Bertrand, C. Neumann und Riecke bei der Anwendung des Potentialgesetzes gestossen sind, und die Einwände, die sie daraus hernehmen zu dürfen glaubten, mir gezeigt hätten, dass eine methodische Durchführung des Beweises mit Beseitigung der früheren beschränkenden Annahmen wünschenswerth und nützlich sein würde. <«< Als Resultat dieser methodischen Durchführung des Beweises >>ergiebt nun das Potentialgesetz ausser den Kräften von Stromelement auf Stromelement noch weiter:

a) Kräfte zwischen Stromelementen und Stromenden, b) Kräfte zwischen Stromenden. «2)

Die unter b) angeführten Kräfte sind es nun, welche in ihrer Anwendung auf Gleitstellen alle die von Bertrand, C. Neumann und Riecke gegen das Helmholtz'sche Potentialgesetz angeführten Bedenken als nichtige erscheinen lassen. Denn diese Kräfte zwischen Stromenden an den Gleitstellen erklären voll

p. 99.

1) Dritte Abhandlung. p. 276.

2) Monatsberichte d. Königl. Akademie d. W. zu Berlin 6. Febr. 1873.

ständig jene elektrodynamischen Rotationen. So bemerkt z. B. Hr. Helmholtz, Hrn. Riecke gegenüber:

>> Wenn, wie in dem Beispiel von Herrn Riecke ein Radius eines Kreises den Strom vom Mittelpuncte desselben, um den er drehbar ist, zur leitenden Peripherie führt, und dabei unter dem Einflusse anderer concentrischer Kreisströme steht, so wirkt, wie Herr Riecke richtig bemerkt, nach dem Potentialgesetz unmittelbar gar keine Kraft auf den festen Theil des Radius, dessen relative Lage gegen die Kreisströme sich nicht verändert und es kommt allein das Kräftepaar zur Erscheinung, welches auf die Uebergangsschicht an der Gleitstelle wirkt. Dieses aber bedingt in der That den ganzen Erfolg. «1)

Nachdem nun die ganze Controverse in diese Phase der Entwickelung getreten ist, erkennt Hr. Helmholtz offenbar mit voller Klarheit, dass das ganze Gebäude seiner Prämissen und mathematischen Deductionen, mit deren Hülfe er sein Potentialgesetz entwickelt hat, nothwendig zusammenbrechen muss, wenn sich Experimente anstellen lassen, welche jene aus dem Potentialgesetze abgeleitete Wirkungsweise der Gleitstellen schlagend widerlegen. Denn von nun an, wo der Schwerpunct der ganzen Streitfrage in die experimentelle Widerlegung der treibenden Kraft in den Gleitstellen verlegt ist, betont Herr Helmholtz bei jeder Gelegenheit in den verschiedensten Formen und Wendungen, wie man sich diese Wirkungsweise der Gleitstellen etwa zu denken und anschaulich zu machen habe. Zum Beweise meiner Behauptung gebe ich hier eine kleine Zusammenstellung dieser characteristischen Erläuterungen.

Hr. Helmholtz behauptet nämlich, bei der elektrodynamischen Rotation des beweglichen Leiters seien:

» die Vorgänge in der Gleitstelle allein in diesem Falle das Treibende «2) und es wirkte » unmittelbar gar keine Kraft auf den festen Theil «3) sondern es käme » allein das Kräftepaar zur Erscheinung, welches auf die Uebergangsschicht an der Gleitstelle wirkt. « 3) Vielmehr er

1) A. a. O. 102.

2) Borchardt's Journal. Bd. 78. p. 306. 3) Borchardt's Journal. Bd. 78. p. 302. 4) Ebendas. p. 302.

gäbe sich aus seinem Potentialgesetze » dass rotirende Kräfte auf die stromleitenden Flüssigkeitsfäden des Quecksilbers oder der Electrolyten einwirkten, durch welche man dem peripherischen Ende des Bügels den Strom zuleiten muss« 1) und nur hierdurch entstände jene Rotation, denn es würden durch jene »rotirenden Kräfte« »die dem Leiter adharirenden Theile dieser Flüssigkeitsfäden im Sinne der wirklich stattfindenden Rotation fortbewegt und nehmen den festen Leiter mit. «2)

Aus allen diesen Erläuterungen geht wohl zur Genüge hervor, welches bedeutende Gewicht Hr. Helmholtz selber, und zwar mit vollem Rechte, auf die einzige Stütze seines Potentialgesetzes legt, nämlich auf die aus demselben mathematisch deducirte Mechanik der Gleitstellen. Nachdem sich daher in dieser greifbaren Gestalt die ganze Controverse um einen bestimmten und experimentell erreichbaren Punct gruppirt und consolidirt hatte, war ich entschlossen, mit Hülfe von Experimenten diese endgültige Entscheidung herbeizuführen. Diese Experimente

waren daher ausschliesslich nur auf eine Widerlegung der Helmholtz'schen Mechanik der Gleitstellen gerichtet. Da jedoch diese Mechanik nur die einzige Stütze des Helmholtz'schen Potentialgesetzes war, so musste durch eine experimentelle Widerlegung dieser Gleitstellentheorie auch das unzertrennlich mit letzterer verbundene elementare Potentialgesetz experimentell widerlegt sein.

Demgemäss wurde von mir zunächst der Faraday'sche elektrodynamische Rotationsversuch einfach dahin abgeändert, dass die Enden des beweglichen Bügels nicht, wie gewöhnlich, direct in das Quecksilber tauchten, sondern vermittelst längerer Ketten, die lose in den hakenförmig umgebogenen Enden des beweglichen Bügels lagen, mit dem Quecksilber in leitender Verbindung standen. In diesem Falle befinden sich die wirksamen Gleitstellen, über welche bei der Rotation des Bügels die Kette hinweggleitet, zwischen dem untersten Ringe und der Quecksilberoberfläche, auf welcher derselbe schwimmt. Wären nun bei der elektrodynamischen Rotation des Bügels nach der Gleitstellentheorie von Helmholtz »die Vorgänge in der Gleitstelle allein in

4) Pogg. Ann. Bd. 153. S. 549.7

2) Ebendaselbst S. 549.

diesem Falle das Treibende<< und wirkte »unmittelbar gar keine Kraft auf den festen Theil«, so schien es mir nothwendig, dass, mit Rücksicht auf die im Drehpuncte des Bügels jederzeit zu überwindende Reibung, der auf dem Quecksilber schwimmende Ring, an welchem sich die Gleitstellen befinden, im Sinne der Rotation vorausgehen müsse, ähnlich wie ein Pferd, wenn es mit Hülfe einer längeren Kette einen Wagen oder die horizontale Axe einer Winde bewegen soll, nothwendig im Sinne der Bewegung dem bewegten Gegenstande voraus gehen muss. Auch konnte man an dem von mir beschriebenen Apparate einem Jeden, der dem vorstehenden Satze als keinem mathematisch bewiesenen, seine unbedingte Zustimmung versagen sollte, die Richtigkeit desselben direct durch das Experiment beweisen. Es war zu diesem Zwecke nur erforderlich, die Oberfläche des Quecksilbers durch ein stetig in demselben Sinne fortgesetztes Umrühren in Rotation zu versetzen. Alsdann waren mechanisch dieselben Bedingungen realisirt, wie sie Herr Helmholtz bei seiner Mechanik der Gleitstellen vorausgesetzt hatte. Denn es wirkt auch bei diesem Experimente, wie nach Helmholtz bei elektrodynamischen Rotationen » unmittelbar gar keine Kraft auf den festen Theil des beweglichen Bügels, sondern es werden nur »die dem Leiter adhärirenden Theile von Flüssigkeitsfäden im Sinne der wirklich stattfindenden Rotation fortbewegt und nehmen den festen Leiter mit.« Demgemäss geht auch in diesem Falle wie ein angekettetes Pferd dem Wagen oder der von ihm in Rotation gesetzten Winde der auf dem Quecksilber schwimmende Ring im Sinne der Rotation des Quecksilbers voraus und zieht mit Hülfe der Ketten den beweglichen Bügel nach sich. Versetzt man nun aber diesen Bügel elektrodynamisch in Rotation, so findet stets das Entgegengesetzte statt. Der bewegliche Bügel geht voran und zieht mit Hülfe der gespannten Kette den auf dem Quecksilber schwimmenden und dort stets etwas adhärirenden Ring im Sinne der Rotation nach sich,

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Mit Rücksicht sowohl auf diese Versuche als auch auf andere von Herrn Herwig 1) angestellte Experimente behauptet nun Herr Helmholtz in seiner Erwiderung, es seien »elektrodynamischeVersuche beschrieben worden, welche nach Ansicht ihrer Urhe

1) Poggendorff's Annalen Bd. 153. p. 262. Eine Modification des elektromagnetischen Drehversuches von H. Herwig.

ber geeignet sein sollen, das von Herrn F. E. Neumann (dem Vater) aufgestellte und von mir in erweiterter Anwendung durchgeführte Grundgesetz der elektrodynamischen Erscheinungen als unvereinbar mit den experimentellen Erfahrungen darzustellen.<<

Da es nun aber weder Herrn Herwig noch mir auch entfernt in den Sinn kommen konnte, durch die erwähnten Versuche, »das von Herrn F. E. Neumann aufgestellte Grundgesetz der elektrodynamischen Erscheinungen als unvereinbar mit den experimentellen Erfahrungen darzustellen«, wohl aber das von Herrn Helmholtz für Stromelemente »erweiterte Potentialgesetz, so sah ich mich zur Vermeidung von Missverständnissen genöthigt, in meiner letzten Abhandlung 1) bei jeder Gelegenheit, wo ich Veranlassung fand, das » Helmholtz'sche Potentialgesetz « zu erwähnen, ausdrücklich hinzuzufügen, »nicht das Neumann'sche Potentialgesetz.« Denn sowohl das F. E. Neumann'sche als das Weber'sche Grundgesetz der elektrodynamischen Erscheinungen sind beide direct aus dem Ampère'schen Gesetze abgeleitet, und zwar letzteres unter Annahme zweier atomistisch constituirter elektrischer Fluida. Herrn Herwig's und meine Versuche hatten vielmehr, wie Herr Helmholtz doch wissen musste, den ausgesprochenen Zweck, die Richtigkeit des F. Neumann'schen Potentialgesetzes in solchen Fällen zu beweisen, wo die Helmholtz'sche Gleitstellentheorie, ohne welche das elementare Potentialgesetz zu Widersprüchen mit F. Neumann's Potentialgesetz führt gar keine Anwendung finden konnte. Deshalb schien es mir nothwendig, wie ich gegenwärtig ausdrücklich bemerke, gegen die möglichen Folgerungen aus einer solchen, mindestens sehr incorrecten, Ausdrucksweise des Herrn Helmholtz Vorkehrungen in Form jener stereotyp wiederkehrenden Bemerkung »nicht das Neumann'sche Potentialgesetz« zu treffen.

Hr. Helmholtz wendet nun S. 549 a. a. O. gegen den oben von mir beschriebenen Versuch ein, dass die in Form von Ketten angebrachten beweglichen Theile des rotirenden Bügels >>durch die elektrodynamischen Kräfte, denen sie ausgesetzt sind, entsprechend gerichtet werden.« In der Meinung, mich über diese Thatsache zu belehren, fährt Hr. Helmholtz mit folgenden Worten fort:

>> Da nun bekanntlich ein Magnet einen seiner Längsaxe

1) Pogg. Ann. Bd. 154. p. 321.

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