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gewichtigen Empfehlungen zu Gunsten des Dr. Helmholtz sprechen, so trägt der Senat gehorsamst an, dass es einem hohen Ministerium gefallen möge, den Dr. Helmholtz bis auf Weiteres mit dem Unterricht in der Anatomie bei der Akademie vorläufig zu beauftragen, wie dies auch bei seinem trefflichen Vorgänger, dem Professor Brücke, geschehen ist", und nachdem es nur wenig Mühe gekostet, mit Hülfe „des damals über die Berliner wissenschaftlichen Geschicke waltenden guten Genius Alexander von Humboldt" Helmholtz von seinen noch übrigen drei pflichtmässigen Dienstjahren zu befreien, erhielt er am 30. September 1848 den nachgesuchten Abschied, um in ein civilärztliches Amt einzutreten. Durch Ministerialrescript vom 6. September wurde ihm die Lehrerstelle an der Kunstakademie mit einem Gehalt von 400 Thlr. jährlich vom 1. October ab, und, als auch die Stelle des Gehülfen beim anatomischen Museum, welche mit einem Gehalte von 200 Thlr. verbunden war, definitiv frei geworden, auch diese auf Grund eines erneuten Berichtes von Johannes Müller übertragen, der ihn als einen ebenso geschickten Anatom als physiologischen Experimentator bezeichnete und in Hinsicht seiner grossen Anlagen" sich auf den bereits abgestatteten Bericht bezog.

So schied Helmholtz im Jahre 1848 aus dem militärischen Verbande, dem er vom October 1838 an angehörte, und entsagte zugleich der ärztlichen Praxis von dem Augenblicke an, in welchem er von der amtlichen Verpflichtung entbunden war; aber der medicinischen Wissenschaft blieb er auch in Zukunft stets zugethan und hob noch später oft und gern hervor, dass er sich in derselben in gewisser Weise heimischer fühlte als in anderen, sowie er auch stets der genossenen militärischen Erziehung mit Vorliebe gedachte, welcher er, wie Ludwig mit Recht sagt, die stets auf sein Aeusseres verwendete Sorgfalt und die gemessene Form des Umganges" verdankte.

Helmholtz als Lehrer der Kunstakademie und Gehülfe der anatomisch - zootomischen Sammlung in Berlin vom Sommer 1848 bis Sommer 1849.

Wenn Helmholtz nun auch von seinen militär-ärztlichen Verpflichtungen befreit war, nahmen ihn doch die Vorbereitungen für seine Wintervorlesung an der Kunstakademie, und vor allem die während des Sommers im anatomischen Museum ihm obliegende Arbeit an vergleichend anatomischen Präparaten so sehr in Anspruch, dass er, abgesehen von einem kurzen Referate in den „Fortschritten der Physik" über die Theorie der physiologischen Wärmeerscheinungen, neue Untersuchungen zunächst nicht zum Abschluss zu bringen vermochte.

Bei Beginn des Wintersemesters, in dem er ausser seiner Vorlesung über Osteologie und Myologie, die er vor fünf Zuhörern hielt, noch menschliche Präparate für dieselbe und für die Sammlung im anatomischen Theater anzufertigen hatte, wird ihm diese Beschäftigung ein wenig drückend, da sein Kopf, voll von neuen wissenschaftlichen Gedanken, ihn zu intensiver eigener Arbeit drängt, und er wendet sich an seinen Freund Brücke, um zu erfahren, ob er es nicht in seinem neuen Amte mit sich zu streng und gewissenhaft nimmt. Er athmet auf, als ihm Brücke am Ende des December 1848 schreibt:

„Lieber Helmholtz! Thue kund und zu wissen auf dero werthe Anfrage, dass ich die Zuhörer in Rücksicht auf Ihre Berechtigung die Vorlesungen zu hören garnicht controllirt habe, sondern Sie nur pflichtmässig aufgefordert habe, mir Ihre Meldungsscheine einzureichen. Modell habe ich im Allgemeinen nur im Sommer erklärt, im Winter nur, auf ausdrückliches Verlangen, bisweilen im Actsaal, und im letzten Winter einmal auf der Anatomie, nachdem ich die Myologie beendigt hatte, um sie noch einmal übersichtlich zu recapituliren. Einen Famulus habe ich als intermistischer Prosector gehabt, und dieser hat mich zugleich beim Präpariren für die akademischen Vorträge unterstützt. Dass es Dir in Berlin wohl geht, freut mich von Herzen, und ich erwarte, dass Du bei Deiner jetzigen Musse die Welt bald durch neue Arbeiten in Erstaunen setzen wirst...."

Helmholtz befolgt sogleich den weisen, auf Mässigung des pädagogischen Eifers hinzielenden Rath Brücke's, und freudig schreibt er schon im Januar des folgenden Jahres seinem Bruder Otto: „Den Eltern kannst Du erzählen, dass es mir gut geht; mit meinen Künstlern habe ich nicht mehr so viel zu thun, wie früher, weil ich sie viel zeichnen lasse nach Präparaten, und mich deshalb schon nach einem kürzeren Vortrage meistens entfernen kann."

Aber es drängt ihn nun auch, die Erwartungen, die Brücke und seine anderen Freunde von ihm hegen, zu erfüllen. Zunächst hielt er am 16. März 1849 in der Physikalischen Gesellschaft einen Vortrag „Princip bei der Construction der Tangentenbussolen", in welchem er genau dieselbe Construction einer Bussole erläuterte, wie sie erst im Jahre 1853 der Pariser Akademie von Gaugain vorgelegt wurde, für die er jedoch später die Priorität für sich nicht mehr feststellen lassen konnte, da das Protokoll der Sitzung der Physikalischen Gesellschaft verloren gegangen war; und nun entwirft er die Pläne zu seinen bahnbrechen

den Untersuchungen, durch welche er der Physiologie und Pathologie der Muskeln und Nerven neue Bahnen eröffnete und neue Methoden der Forschung schuf. Kaum machte er sich jedoch an diese Arbeit, so trat eine neue glückliche und entscheidende Wendung auf seinem Lebenswege ein, welche ihm die Möglichkeit geben sollte, seine grossen Ziele ungestört zu verfolgen.

Brücke hatte einen Ruf an die Universität in Wien angenommen; als Nachfolger hatte die medicinische Facultät in Königsberg am 1. April 1849 1) du Bois-Reymond, 2) Helmholtz, 3) Ludwig vorgeschlagen und das Ministerium ersucht, es möglich zu machen, dass durch den Gewählten noch ein beträchtlicher Theil des Sommersemesters durch die Vorträge über Physiologie ausgefüllt werden könnte, derselbe also wenig nach dem Beginn des Mai dort eintreffe. Das vom Ministerium eingeforderte Gutachten J.. Müller's ging dahin, dass die hoffnungsvollsten jüngeren Talente der immer mehr in den Vordergrund tretenden physikalisch - physiologischen Richtung in Deutschland Brücke, du Bois - Reymond, Helmholtz und Ludwig seien.

Der Privatdocent Dr. du Bois hat sich durch seine klassischen Arbeiten über die thierische Elektricität die gegründetsten Ansprüche auf eine Professur in der Physiologie erworben, scheint aber vor Beendigung seiner gegenwärtigen Arbeiten zur Annahme der fraglichen Stelle nicht geneigt zu sein. Ueber Helmholtz, dermalen Gehülfen bei den anatomischen Anstalten und Lehrer der Anatomie an der Akademie der Künste, hatte ich schon früher die Ehre, dem hohen Ministerium ausführlich zu berichten. Ich betrachte ihn als eines der bedeutendsten physiologischen Talente. Zur Annahme der fraglichen Professur würde er, so viel ich habe wahrnehmen können, nur dann geneigt sein, wenn seine Fixirung als Lehrer der Anatomie an der Akademie der Künste sich auf längere Zeit hinziehen sollte. Prof. Ludwig

steht auf gleicher Linie mit Brücke, du Bois und Helmholtz und würde zu der fraglichen Stelle ebenfalls durchaus geeignet sein."

Johannes Schulze, der Referent in Unterrichtsangelegenheiten, spricht sich, nachdem inzwischen die Bewerbung von Helmholtz um die ausserordentliche Professur in Königsberg eingegangen, in einem Bericht an den Minister von Ladenberg vom 15. Mai 1849 für die Berufung von Helmholtz aus; den freilich an dritter Stelle vorgeschlagenen, aber 5 Jahre älteren Ludwig liess er offenbar aus politischen Gründen unberücksichtigt, wiewohl bei ihm zwei interessante Briefe von du Bois und Volkmann eingegangen waren, welche Ludwig gegen den Vorwurf eines Demokraten in Schutz nahmen und ihn als einen „conservativen Liberalen" charakterisirten.

Helmholtz wurde durch Cabinetsordre vom 19. Mai 1849 zum ausserordentlichen Professor der Physiologie in Königsberg mit dem etatsmässigen Jahrgehalt von 800 Thlr. ernannt, und aufgefordert, sich unverzüglich nach Königsberg zu begeben, um dort noch im laufenden Sommersemester seine Vorlesungen über Physiologie zu beginnen, während die Kunstakademie von dem Minister angewiesen wurde, Helmholtz aus seiner Stellung als Lehrer der Anatomie zu entlassen, in welcher bald darauf du Bois sein Nachfolger wurde.

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