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Montag früh machte der Onkel seine Geschäfte ab; am Nachmittage führte uns der Neffe von einem Geschäftsfreunde des Onkels in den Umgebungen umher. Es sind dort einige schöne Aussichten über die Verzweigungen der Oder, die besonders durch die schönen Seeschiffe sehr belebt werden. Am Dienstag Mittag fuhren wir bei trübem Himmel nach Swinemünde. Die grosse Wasserfläche des Haffs machte einen imposanten Eindruck, der freilich bei der Rückkehr verschwunden war. In der Swine zwang uns ein Platzregen, die Cajüte zu suchen, und bei unserer Ankunft durchnässte uns derselbe auf den paar Schritten bis zum Wirthshause recht anständig.

An den beiden Tagen, die wir in Swinemünde zubrachten, war das Wetter besser. Ich badete mich an beiden in der See. Ein solches Bad hat einen merkwürdigen aufregenden und belebenden Einfluss, trotz der Temperatur von nur 10o Wärme glaubt man in Wasser von 16 bis 180 sich zu befinden; man wird sehr ermattet, so dass ich nicht an einem Tage mich hätte zwei Male baden mögen, und doch fühlt man sich so frisch und wohl. Am Mittwoch Nachmittag fuhren wir nach Heringsdorf, wo man von der wohl 100 Fuss steil vom Strande aufsteigenden Küste einen schönen weiten Blick über das Meer hat und bei hellem Wetter sogar Rügen soll sehen können. Besonders entzückte mich das Meer durch sein stets wechselndes Farbenspiel, welches aus der durch verschiedene Wolkenschichten dringenden Beleuchtung entstand. Ganz berauscht wurde ich am Abend, wo ich an die Spitze des einen der beiden vom Eingang des Hafens weit in die See hinausgeführten colossalen Steindämme ging und die Brandung beschaute, welche gerade so hoch ging, dass man noch trockenen Fusses auf dem Damme stehen konnte. Zwar war der Wellenschlag den Badegästen nicht stark genug; auf mich aber machten schon diese Wogen einen grossartigen Eindruck. Am anderen Tage machten wir noch eine Fahrt zu einigen schönen

Punkten der Insel und eine Segelparthie, wobei ich nicht einmal die Seekrankheit kennen lernte wegen der fast vollkommenen Windstille. Nach Rügen gingen keine Dampfschiffe mehr, der Wind war zu unbeständig, als dass der Onkel sich ihm in einem Segelboot anvertrauen wollte, die Landfahrt war ihm zu langweilig; daher gab er diese Parthie ganz auf, und wir fuhren am Freitag Morgen in glühendem Sonnenbrande auf dem Dampfboot nach Stettin zurück, am Sonnabend Mittag per Landkutsche nach Schwedt, und von da per Extrapost nach Königsberg, wo wir um 13 Uhr in der Nacht anlangten.

Ich habe nun die Reise sehr gemächlich und vornehm abgemacht; ob mit so vielem Genuss, wie wenn sie mit etwas mehr Mühsalen verknüpft gewesen wäre, und ich sie auf eigene Hand gemacht hätte, wollen wir weiter nicht untersuchen, da ich doch auch so das gigantische Chamäleon des Meeres mit wahrhafter Bewunderung gesehen habe.

Ich habe fast Lust, die Reise nach Rügen von hier aus noch nachzuholen, der Weg von Stettin ist dann freilich vergebens gemacht. Es kommt jedoch noch an auf Wetter, Lust und Fortschritte in der Zoologie. Möglich ist es, wahrscheinlich ist es nicht. Schwören könnte ich wohl darauf, aber wetten möchte ich nicht." Bis zum Wiedersehen lebet wohl."

Am 9. November kehrt Helmholtz ins Institut zurück, zeichnet sich bei einer mit 17 Zöglingen vorgenommenen Prüfung, die sich auf die Aggregatzustände verschiedener Körper, auf die atmosphärische Luft und deren Bestandtheile mit ihren chemischen Eigenthümlichkeiten, sowie auf den Stickstoff speciell und auf seine Verbindungen erstreckte, besonders aus und legt bereits am 10. December das Tentamen philosophicum ab.

„Ich habe gestern das Examen philosophicum glücklich überstanden und auch ein gutes Zeugniss davongetragen. In der Chemie ist mir nämlich das Prädicat vorzüglich

gut, in der Physik, Psychologie, Zoologie und Botanik sehr gut, in der Mineralogie ziemlich gut zuerkannt worden. Das letztere Prädicat ist das beste, was Weiss für gewöhnlich giebt, wenigstens hörte ich, dass er selbst Examinanden, welche sehr viel in der Mineralogie wussten, kein besseres zuertheilt hat. Uebrigens war mein Zeugniss von uns Vieren das beste, und Kunth gratulirte mir dazu, als er es mir überreichte. Wenn auch zu dem Examen nicht so viel specielle Kenntnisse, sondern mehr ein Ueberblick des innern Zusammenhangs erfordert werden, so hat es doch seinen Nutzen als eine Nöthigung, sich tiefer mit den Wissenschaften zu beschäftigen und an ihnen Interesse zu gewinnen."

Unmittelbar darauf demonstrirte er am 12. December in einer Versammlung der Eleven ein von ihm selbst ausgeführtes anatomisches Präparat des Peritoneum, das sauber angefertigt war und durch einen recht guten Vortrag erläutert wurde, den der anwesende Professor der Botanik Ritter Dr. Frost aus London sehr rühmte.

Das Ende des Jahres erfüllte ihn mit Sorge für die Gesundheit seiner zärtlich von ihm geliebten Mutter, die jedoch das Weihnachtsfest wieder heiter mit den Ihrigen verleben konnte, und er benutzte nun den Rest des Wintersemesters und die Osterferien, die er vom 5. bis 18. April im elterlichen Hause zubrachte, zu den Vorbereitungen für die klinischen Vorlesungen, über die er im Sommer 1840 seinem Vater berichtet:

„Schönlein hat gestern angefangen, es waren eine Menge Studenten aller Facultäten im Auditorio, draussen standen noch eine ebenso grosse Menge, daher wurde das Zimmer gewechselt, wobei die ersten natürlich die letzten wurden. Er sprach in der ersten Stunde über die verschiedenen medicinischen Schulen etwas stark gegen die Gegner, mit einigen Seitenblicken auf die Unfehlbarkeit des Papstes, auch die Hoffnung der Juden auf einen Messias nicht verschonend. Heute entwickelte er denn die philo

sophischen Grundzüge seines Systems, wobei er meistens Schelling herbeizog. Von den hiesigen pathologischen Theorieen weichen seine meistens sehr ab; z. B., wenn die hiesigen Aerzte behaupteten nach Hufeland, es gebe nur allgemeine Krankheiten, so behauptet er, es gebe nur örtliche; und dabei stützt er seinen Beweis rein auf Schlüsse, da werden sie wohl drüber brummen."

Der Besuch der Kliniken hatte aber seine Gesundheit von Neuem angegriffen, und er nahm desshalb am 25. August 1840 einen zehnwöchentlichen Urlaub zu einer Reise nach Schlesien, Prag und Dresden, über die er seinen Eltern ausführlich berichtet:

In Krossen trafen wir zuerst auf den hübschen schlesischen Menschenschlag und die schlesische Baumzucht. Sie werden Euch wohl bekannt sein, diese ratzenkahlen Bäume, wo die Blätter nicht an Zweigen, sondern am Stamm selbst sitzen, und nur oben ein kleines Büschelchen sich befindet. Die Felder wurden auch ein Bischen grüner, wenigstens kamen nicht mehr so unendliche Sandsteppen vor, wie in meiner lobesamen Vaterprovinz; die Milch wurde bedeutend besser, zuweilen entzückend schön und zugleich billiger; die Butterstullen veränderten ihre Gestalt, entweder bekam man das rohe Material dazu, oder statt einer vier, von denen je zwei und zwei zusammengelegt waren.

Von Lüben gingen wir nach Liegnitz, wo sich eine Gelegenheit fand, drei Meilen weiter zu fahren nach Goldberg. Unterwegs zeigte uns ein Mitreisender Wahlstatt, das Katzbachgefilde, Blücher's Denkmal und schilderte uns den ganzen Verlauf der Schlacht; wir passirten auch einige Male die Katzbach, in der es jetzt freilich nur durch ein ganz besonderes Kunststück möglich sein möchte zu ersaufen; am anderen Tage gingen wir nach Hirschberg am Fusse des Riesengebirges.

So lange wir fuhren, war das Wetter nur zu schön gewesen, die Sonne heizte in unserem Wagen ganz erbärmlich

ein, und schon vor Polkwitz konnten wir ferne Bergketten als leichte Flecken am Horizont sehen. In den beiden Tagen unserer Fusswanderung aber war der Himmel trübe und die Ferne nebelig. So oft wir von einem Berge eine ferne Aussicht hatten, sahen wir vor uns Ketten von entfernten bedeutenden Bergen, da wurde denn conjecturirt, was wohl die Schneekoppe, was das grosse Rad etc. sei; kamen wir aber der Sache um zwei Meilen näher, dann waren es nur Vorberge; aber freilich solche, deren Spitzen am Sonntag früh alle von Wolken umlagert waren. So kam erst vor Goldberg das Katzbachgebirge, dann das Mittelgebirge. Wir bestiegen auch einige von diesen Bergen, die meist aus Gerölle bestanden, und hatten weite Aussichten in die Ebene und auch so einige Ahnungen vom Gebirge, weil die Luft zu trübe war. Endlich am Sonntag Abend erreichen wir, nachdem wir eine Stunde lang gestiegen sind, den letzten Kamm vor dem Gebirge, dessen Aussicht uns die Schlesier als die schönste im ganzen Gebirge gerühmt hatten, und sehen vor uns endlich den Riesenkamm, oder vielmehr die Stelle, wo man uns sagte, dass er läge. Unten nämlich sah man einige Städte in Nebel gehüllt, darüber eine dicke schwarze Masse, aus Erde und Wolken zusammengemischt, und darüber den Himmel. Dazu zog noch von der Ebene ein Regen herauf, den wir da oben abwarten mussten, und wir kamen endlich auf halbaufgelösten Wegen in Nacht und Nebel in Hirschberg an. Am Morgen erschraken wir, als wir uns in einen dichten dunklen Nebel eingehüllt fanden, doch zertheilte sich derselbe bald, und auch Rübezahl zog endlich seine Nebelkappe ab und erlaubte dem Menschenvolke den Blick in seine hohe Wohnung; so haben wir denn diese beiden Tage benutzen können, uns im Hirschberger Thal umzusehen. Gestern waren wir in Fischbach und auf dem Falkenberge, heute in Warmbrunn, auf dem Puddelberge und in Erdmannsdorf, morgen wollen wir noch einige kleinere Parthien hier machen und dann in das Hochgebirge gehen.

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