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lauteten die Worte eines unsterblichen Mannes, die 50 Jahre später zur Stiftungsfeier der Berliner Universität gesprochen wurden.

Das Brotstudium, wie er selbst seine Philologie bezeichnete, scheint, so weit es das Latein betrifft, in der That nur ein solches gewesen zu sein, hingegen war er ein begeisterter Hellenist und wirkte auf seine Gymnasiasten dadurch kräftig ein, dass er sie zum Erfassen der poetischen Schönheiten anzuregen suchte, anstatt die bloss grammatische Seite zu cultiviren. Dass er mit Vorliebe der griechischen Sprache sich hingab, während er den gewünschten, schon von seinen Lehrern im Friedrichs-Gymnasium bei ihm vermissten Ciceronianischen Stil sich nie anzueignen vermochte, suchte er später häufig, den Anschauungen seines grossen Sohnes folgend, dadurch zu erklären, „dass auch das Sprachtalent nicht ein einiges sei, sondern, wie alle anderen geistigen Functionen, eine Addition verschiedener Summanden".

Er war einer der bedeutendsten Lehrer der Anstalt und wurde sehr oft in Gemeinschaft mit dem Mathematiker Meyer durch freiwillige Ovationen der Schüler ausgezeichnet. „Zu unseren schönsten Stunden gehörte es", schreibt noch heute ein hervorragender Mann im preussischen Staatsdienst, „wenn er, unseren Bitten nachgebend, uns aus Dichtungen, Dramen, Balladen u. s. w. vorlas; ich erinnere mich z. B., wie er einmal den ersten Monolog im „Faust" und ein anderes Mal Bürger's „Lied vom braven Mann" so stimmungsvoll und wirksam vortrug, dass wir regungslos und in tiefer Andacht ihm lauschten oft im Leben erklang mir und noch heute höre ich seine damalige Stimme und sehe dabei seine ausdrucksvolle Miene."

Aber neben aller Gewissenhaftigkeit des Pädagogen brach doch noch oft der Feuereifer des begeisterten Freiheitskämpfers durch. Auf Bitten der Schüler liess er sich einmal verleiten, drei Stunden des deutschen Unterrichts, den er als Ordinarius in der Secunda gab, dazu zu ver

wenden, den Schülern eine Schilderung der geistigen Erhebung zu geben, welche vor 1813 im preussischen Volke herrschte; in Begeisterung jubelten ihm alle zu. Aber der Director erfuhr davon, und der so beliebte Lehrer erhielt einen Verweis, sowie Androhung sofortiger Entlassung, wenn etwas Aehnliches noch einmal vorkommen sollte. Es war die Zeit in der Mitte der vierziger Jahre, in welcher der Druck kirchlicher und staatlicher Reaction schwer auf dem preussischen Volke lastete, die in Potsdam vornehmlich den sogenannten Treubund als Frucht zeitigte, dem auch der Director der Anstalt und mehrere Lehrer derselben angehörten.

So kam es, dass, wenn auch noch bisweilen in kleinerem Kreise sein Unmuth über die politische Entwickelung Deutschlands hervorbrach, ihn doch die Rücksicht auf seine Familie zwang, das Opfer des Schweigens zu bringen; denn schon im Jahre 1821 war sein ältester Sohn Hermann geboren, kurz darauf seine Töchter Marie und Julie, 12 Jahre danach sein Sohn Otto und später noch zwei, schon sehr früh in den Jahren 1836 und 1839 gestorbene Söhne Ferdinand und Heinrich, die Besoldung war eine karge erst am Ende seiner Lehrerlaufbahn bezog er einen Gehalt von 1050 Thlr. und als treuer Gatte und fürsorgender Vater blieb ihm nichts übrig, als seine politischen Gedanken allmählich ganz in seinem Innern zu verschliessen und selbst in seinem eigenen Hause im vertrauten Umgange mit dem Prof. Meyer und den Seinigen die politischen Gespräche völlig zu meiden. Stets allein und in philosophische Gedanken vertieft, machte er von nun an seine Spaziergänge nach der historischen Mühle von Sanssouci.

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Wenn er aber auch fernerhin seinen politischen Ansichten nicht mehr öffentlich Ausdruck geben durfte, so konnte er es doch mit seinen philosophischen Anschauungen nicht in Einklang bringen, auch der kirchlichen Orthodoxie gegenüber sich Schweigen aufzuerlegen. Eine grosse Reihe von Ausarbeitungen und Entwürfen zu Reden zeigen uns den

von tiefen philosophischen Ideen getragenen, von den edelsten religiösen Gedanken beseelten gläubigen Christen; wahrhaft religiöser Sinn erfüllte ihn, den Lehrer der Jugend, war ihm die Basis für eine sittliche Gemeinschaft mit seiner Frau und für eine ethische Erziehung seiner Kinder. Aber jeder kirchliche Zelotismus war ihm verhasst, und so trat er unbedenklich in Gemeinschaft mit seinem späteren Director der von Männern wie Alschefski, Bellermann, Bonnel, Jonas, Lisco, Meinecke u. A. entworfenen und am 15. August 1845 veröffentlichten Erklärung bei, die mit den Worten beginnt: „Es hat sich in der evangelischen Kirche eine Partei geltend gemacht, welche starr an der Fassung des Christenthums hält, wie sie solche aus den Anfängen der Reformation ererbt hat. Diese Formel ist ihr Papst. Gläubig ist ihr, wer sich unbedingt derselben unterwirft, ungläubig aber, auch politisch verdächtig sind ihr alle diejenigen, welche sich dieselbe nicht angeeignet haben", und fortfährt: „Wir erklären, dass wir eine heilsame Lösung des Kampfes nur dann für möglich halten, wenn allen Theilen das Recht freier Entwickelung ungekränkt erhalten wird...“

So entrollt sich allmählich vor uns ein Bild von Ferdinand Helmholtz, das es uns verstehen lässt, wenn sein bester Freund, mit dem er ein langes Leben hindurch in stetem Briefwechsel gewesen und gemeinsam so manche Reise unternommen, Im. Herm. Fichte, der Sohn von Joh. Gottlieb Fichte, und seit 1842 Professor der Philosophie in Tübingen, später in fast überschwänglicher Weise es ausspricht, mit wie unverwelklicher, stets gesteigerter Liebe er ihm zugethan sei, und dass ihre gegenseitige Liebe für ihr beiderseitiges Leben von den wichtigsten Folgen geblieben ist".

Ganz seiner amtlichen Thätigkeit und der Erziehung seiner Kinder hingegeben, deren weitere Entwickelung er als liebender Vater mit Aufmerksamkeit und Nachsicht, aber vermöge seiner ernsten und tief angelegten philosophischen

Natur zugleich auch mit kritischem Urtheil verfolgte, blieb er bis zum Jahre 1857 seinem Lehrerberufe in den ihm lieb und theuer gewordenen Verhältnissen treu und suchte sodann, als seine Kräfte immer mehr abnahmen, seine Pensionirung nach, die ihm von der Königl. Behörde unter der ehrenvollsten Anerkennung seiner langjährigen und verdienstlichen Wirksamkeit bewilligt wurde.

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Wir können nur wünschen", so lauten die Worte des Directors im Programm der Anstalt für das Jahr 1857, dass in seiner den wissenschaftlichen Bestrebungen gewidmeten Musse seine geschwächte Gesundheit sich immer mehr kräftigen und ihm ein langer, schöner und heiterer Lebensabend beschieden sein möge."

Hermann Helmholtz' Jugendjahre

1821 bis 1838.

Dem jungen, noch nicht dreissigjährigen Gymnasiallehrer Ferdinand Helmholtz wurde, nachdem er ein Jahr verheirathet gewesen, von seiner Frau ein Sohn geschenkt, der einst der Familie und dem Vaterlande zum Stolz und Ruhm gereichen, der gesammten gesitteten Welt eine Leuchte der Wissenschaft sein sollte.

Hermann Ludwig Ferdinand Helmholtz wurde am 31. August 1821 in Potsdam in dem Hause Nr. 8 der Hoditzstrasse geboren und am 7. October in der lutherischen Heiligen - Geistkirche daselbst getauft. Er war ein wenig schönes und sehr schwächliches Kind.

„Grade mein erstes Kind", schreibt dreissig Jahre später die glückliche Mutter ihrem Sohne, „Du nämlich, mein Wunderkind, wie ich Dich von Deiner Geburt an nannte, wurde von allen unschön gefunden; mich beunruhigte aber das alles nicht, ich bewunderte mein Kind, es lächelte mich, wie es die Augen öffnete, an, ich sah nichts als Geist und Verstand."

In seinen ersten sieben Jahren war er ein körperlich kränklicher Knabe, lange an das Zimmer, häufig an das Bett gefesselt, aber stets mit lebhaftem Trieb nach Unterhaltung und nach Thätigkeit; Bilderbücher und Spiel, hauptsächlich mit Bauhölzern, füllten seine Zeit aus, liebevolle

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